Ambient 02 - Heidern
anzuschlagen!« Raus hier oder er hole die Polizei, brüllte Mossbacher weiter. Die Arbeit Ihres Mannes war eh nur einen Scheißdreck wert, bring sie raus, Felix, und laß sie nie wieder herein.
»Sie hören von unserem Anwalt«, bluffte Mama. Woher sie wohl das Geld für einen Anwalt nehmen wolle, wenn sie hinter so einem lausigen Gehaltsscheck herlaufe, höhnte Mossbacher, lachte schrill und nahm wieder Bücher aus seiner Schachtel. Felix, der Wachtposten, ergriff unsere Arme und führte uns wortlos den Gang entlang zur Tür. Dort mußten wir noch eine Weile stehen, während andere Wachen uns oberflächlich abtasteten und Mamas Handtasche durchwühlten. Mama schloß die Augen, als sie betatscht wurde, und ich war scharf auf Angriff, Anne, es war wie mit Weez: alle Zeichen auf Sturm und durchgedreht! Aber ich hab solche Angst davor, also ließ ich es. Mossbacher wollte ich am liebsten qualvoll ausknipsen. Niemanden hasse ich mehr als diesen Mossbacher.
Als sie fertig waren, Grabscher abzustauben, schubsten uns die Wachen ins Freie. Mama fing an zu weinen. Die Passanten maßen uns mit ihren Blicken und gingen vorbei. »Schon gut, Mama!« Das sollte sie trösten. »Nein, nichts ist gut. Gar nichts ist gut!« Sie stieß mich weg. Das wars, Anne, fast wäre ich wieder in den Laden gestürmt. Erst bringt er Pappi um, dann regt er Mama so auf, daß sie auf mich losgeht. Aber sie umarmte mich gleich und sagte: »Engelchen, Entschuldigung, es tut mir leid. Der schreckliche Kerl hat mich bloß so auf die Palme gebracht.« Hätte sie mich nicht abgelenkt, ich hätte ihn mir gleich geholt. Herr Mossbacher verdient es nicht, einen Laden zu besitzen, Anne, er verdient es nicht, unter normalen Menschen einherzugehen, er verdient es nicht zu leben. Ich hasse hasse hasse ihn.
Daheim setzten wir uns in die Küche und versuchten rauszukriegen, wie wir an Geld kommen könnten. Aber langfristig siehts nich gut aus. »Schnuckel, mit dem Geld habe ich fest gerechnet. Was soll bloß werden? Ich bin eh schon an meinen Grenzen, um das Geld für die Miete und die Nebenkosten aufzutreiben. Was sollen wir bloß essen?«
»Reg dich ab, das mitm Essen geht schon klar.«
Mama hat zwar noch Manuskripte, aber sie wird jetzt erst für die Arbeit vom April bezahlt und zwar in neuem Geld. Ich selbst mach besser nen Bogen ums Excelsior, weil wenn ich den Mossbacher noch mal sehe, heißts Jüngstes Gericht für ihn.
Mama weinte in einer Tour. Manchmal möcht ich auch so gut abtröpfeln können, wenns mir danach is. Muß jetz pennen, Anne, bin jenseits von müde.
7. Juni
Heut früh kurz Iz und Jude getroffen. Iz mußte abkirchen, abends dann schon wieder, Jude trifft n Freund downtown. Alle Wetter, Anne, die sah aus, fast wie ne Geschäftsfrau! Perücke mit langem, glattem Barbie-Haar, bloß schwarz, Make-up, kleines Schwarzes mit jeder Menge Bein. Sah zehn Jahre älter aus, echt. »Bistes oder nich?« fragte ich sie.
»Irgendwo da drunter, ja.«
»Für ne Party?«
»Erst Essen, kann ich mich vollhaun, dann mal sehn.« Iz hat ja schon gesagt, daß Jude wegn der Kerle downtown rauscht, aber nich, in welchem Ausmaß. Ganz schön schöner; wir saßn bloß da und gafften sie an. Möcht nich so aussehn, aber ihr stehts.
»Vor der Kirche saus ich noch bei Esther vorbei, sehn, wies geht. Kommst mit?« fragte mich Iz.
»Besser, ich bleib inner Nähe, Mama is mal oben, mal unten.«
»Mittwoch ist Schluß mit Schule. Sehn wir uns dann?«
»Okay.«
»Mittwoch habn wir zu tun, Iz«, erinnerte sie Jude.
»Wieso. Was steht an?« Iz.
»Wir habn zu tun.«
»Du sagst, wir habn zu tun, aber ich weiß nix davon.«
»Denk nach!« forderte Jude und starrte Iz an. Die senkte den Blick und sagte: »Genau, Lola, schade.«
»Schon okay.«
»Vielleicht Donnerstag oder Freitag.« Iz.
»Ja, vielleicht.«
Mir fiel auf, wie Jude Iz nich ausn Augn ließ, also sagte ich sonst nix. Kurz darauf verabschiedeten wir uns. Iz versprach anzurufen.
Ich mach mir Sorgen wegen Mama, Anne. Wir sahen heut abend zusammen Nachrichten, aber ich mußte ausschalten, es hat sie zu sehr deprimiert. Dann ging sie Schreiben durch, die mit Pappi zu tun haben, hat aber nix beantwortet. Danach sollte sie eigentlich Manuskripte korrigieren, aber wieder nix. Das Geld dafür reicht wohl auch nich, aber Mama sagt nix, und ich frag nich. Die neue Miete beträgt bloß 20 neue Dollar pro Monat, is aber immer noch mehr, als wir habn. Boob fehlt mir, aber Pappi fehlt mir am meisten.
9.
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