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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Juni
    Ein neuer Geldeintreiber rief heute an und fing schon an, rumzupiesacken und aufzudrehen, bevor ich noch »Hallo?« sagen konnte. Es gehe um Geld, wo mein Vater sei? »Gestorben.« Ob ich nich wisse, daß man inne Hölle komme, wenn man lügt? »Kann schon sein, aber ich sag die Wahrheit. Der ist kalt, und falls Sie Geld von ihm zu kriegen hatten, dann hat er Sie jetz am Arsch.« Das reichte, um ihms Maul zu stopfen, Anne, vielleicht, weil ichs so kleinmädchenmäßig rausließ. Ne Sekunde lang fiel ihm nix mehr ein, da legte ich auf, bevor er wieder zu sich kommen konnte. Er hat nich noch mal angerufen, also schätz ich, daß er fürs erste n Schuldkomplex hat. Mal sehn, wann er wieder ausm Loch kommt.
    Die ganze Nacht böse Träume, Anne. Einer war von der übelsten Sorte, Manno! Saß da in meinem Zimmer mit ner Siamesischen Katze. Die Katze schaut mich an und neigt den Kopf. Obwohl sie nix sagt, hör ich, wie sie mich ›Ratte!‹ nennt. Ich ab in Mamas Zimmer, die nackt aufm Bett flackt, ne oberätzende Ratte aufm Gesicht. Ich angewurzelt neben der Tür, das Biest an mir vorbei inne Küche. Ich nehm nen Hammer aus ner Schublade und hinter der Ratte drein, hol volle Kanne aus und drauf auf den Kopf, fünf oder sechs Mal. Wie ich so dreinschlag, verwandelt sie sich inne Schildkröte, die ihren Kopf so komisch dreht und mich anstarrt. Als ich sie treffe, knackt es, also hör ich auf. Dann bin ich aufgewacht, klatschnaß, zitternd.
    Hab Iz den Traum erzählt, als sie heute anrief. »Verrücktes Mädel!« sagte sie und meinte es auch. Sie sagt, sie kann Freitagnacht hier pennen. O Anne, da wird mir warm ums Herz! Außer dir hört keiner zu, wenn ich was zu sagen habe; das Problem is bloß, du gibst keine Antwort.
     

12. Juni
    Mal schreib ich, mal schreib ich nich, Anne, es tut mir leid, tschuldige. Jetz im Sommer penn ich lang, fetz den ganz Tag rum und wenns dann Nacht wird, gehts mir wie inner Schule: dann mag ich nich mehr schreibn. Heut ging ich n Broadway runter, flotto flotto, bis midtown. Bin dann am Excelsior rumgestanden, aber draußen geblieben, weil er drin war. Mossbacher stand am Fenster neben der Kasse und schrie sich die Seele ausm Leib, als hätt ihm wer inner Seele weh getan, aber ich weiß, der tickt bloß nich richtig. Er rollte die Augn und war dermaßen laut, daß man ihn durchs Fensterglas hindurch verstehn konnte. Dann wollte ich doch rein, habs mir aber wieder anders überlegt wegen der Wachen, die mich abgrapschen würden, also ging ich lieber ummen Block. Wenn ich rein wär, oder wenn er raus wär, ich weiß nich, was ich dann gemacht hätte. Aber irgendwas wär passiert.
    Heim mit der U-Bahn. Grünärsche patrouillieren jetzt durch die Waggons, ihre Riesenknarren aufgepflanzt wie Schwänze, die so groß sin, daß man sie über der Schulter tragen muß. Sin sie durch, dann murmeln die Fahrgäste, tun aber nada. Schätze, die sin wie ich, denken, wenn hier rumgeschossn wird, dann bitte nich auf mich. Wir sin jetz ne Besatzungsdemokratie, so nennen sies im Fernseh, aber ich sag, ich hab die Soldaten dort gesehn, wo sie gar nich sein dürften, selber gesehn. Aber die ärgern einen bloß, die machen mich nich wahnsinnig; wahnsinnig macht mich Mossbacher. Auf der Heimfahrt mußte ich dauernd dran denken, wie er mit Mama und Pappi umgegangen is. Dafür gibts keine Entschuldigung, Anne. Mann, ich war vielleicht unter Strom! Als mir n Kerl beim Aussteigen aufn Fuß latschte, hätt ich ihn fast angefalln und geschlagn, aber dann doch nich. Meine Durchdreher beunruhigen mich. Daheim bin ich gleich hier rein gerannt und hab geschrieben, damit der Druck nachläßt. Kontrolliert. In Sicherheit.
    Inner Stunde kommt Iz. Ich schau dem Minutenzeiger zu, möcht ihn anschieben, doppelt schnell machen, Iz herbeizaubern. Wie Weihnachten, Anne. Denk ich an Iz, vergeß ich fast Mossbachers Fresse. Ich liebe sie, Anne, in echt. Noch 53 Minuten bis Iz, aber die kommt noch dazu immer zu spät.
     

13. Juni
    Verdammt, Anne, verdammt verdammt verdammt! Gibt kein Ausdruck für das, was gestern abend abging. Die Welt wird brutaler und brutaler, aber man lebt in ihr, was man auch macht. Dabei fings so gut an. Iz kam, wir aßen, dann Glotze, wir ratschtn, ne himmlische Zeit. Bevor Iz kam, hatte ichn wenig Angst, daß Jude auch auftaucht, sie is immer eingeladen, klar, aber sie kam nich, gut. Iz erzählte, sie sei wieder bei nem Freund downtown, also beschäftigt.
    Mama ging früh ins Bett. Sie gibts ja nie zu, aber

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