Ambient 02 - Heidern
versprochn. Bevor ich aber weitergrübeln konnte, lenkte mich ne bekannte Stimme ab.
»Untersuchn sie deine Mama, oder was?« fragte Jude, die hinter mir auftauchte, als wolle sie mich anfalln.
»Was weiß ich. Hast du ne Ahnung, wo Iz steckt?«
»Wird wohl irgendwas mit ihrer Familie sein, da is die halbe Zeit was los. Sie lebt ihr Leben, kapiert? Ich glaub, sie mußte heut früh ihr Omchen wo hinbegleitn.«
»Hat sie nich erwähnt, als wir telefonierten.«
»Iz hat gemerkt, daß es dir schlecht geht, da wollt sie dich wohl nich mit ihrem eigenen Kram belästign. Sie will immer zu viel für zu viele sein, schlecht für sie.«
»Red mal Klartext!«
»Nada, is nur so.« Sie log; das war nich die Wahrheit, klare Sache.
»Bist du sauer, weil Iz manchmal bei mir pennt, oder was?« Jude verdrehte die Augen, als sie Antwort gab; das wars dann: die ist eifersüchtig auf uns, auf mich, besser gesagt.
»Ich weiß, daß dir Iz von uns erzählt hat. Du scheinst es kapiert zu habn, drängst dich aber trotzdem rein. He, ich bin selber kein Unschuldslamm, wirst hier drin keins finden, aber s gibt Grenzn. Werdn die verletzt, geht zuviel drauf.«
»Iz kommt gern zu mir. Sie mag mich.«
»Weiß ich. Ihr seid alle zwei noch Mädchen; abgesehn davon hast du keine Ahnung, wer Iz wirklich is.«
»Und warum nich?«
»So wie du veranlagt bist?«
»N bißchen genauer?«
»Muß hier nich ausgesprochn werden, weils alle wissn.«
»Tu mir trotzdem den Gefalln.« Bevor Jude etwas sagen konnte, plumpste aber der Alte zu Boden. Jude und ich wollten helfen, doch die Wachen schoben uns weg. Sie fühlten seinen Puls am Handgelenk, dann gaben sie einer Schwester ein Zeichen, während wir zuschauten. Zwei Helfer kamen durch ne Tür und schleppten ihn weg. Wenn du mich fragst, Anne, dann schlief der Alte seinen letzten Schlaf, aber keiner sagte was, und wir fragten nich.
»Wolln die deine Mama solang dabehaltn wie den da?« Ich schüttelte den Kopf, wußte aber eigentlich nix. Konnte bloß hoffn.
»Jetz paß mal auf, Jude. Bloß weil ich ausschließlich Mädchen mag, ist mit mir noch lang nix verkehrt. Wenn du und Iz auch Jungs haben wollt, eure Sache. Das hab ich von Iz gelernt, und das is auch richtig so.«
Jude starrte mich von oben bis unten an, als hätt ich sie verblüfft. »He, Mädel, davon is gar nich die Rede. Sondern daß wir vom gleichn Blut sin. Du nich. Dasse mit dir rummacht, is bloß Spaß mit ner Pussy, nada mehr. Is das endlich mal bei dir angekommen oder was?« Sie baute sich ziemlich arrogant und hochnäsig vor mir auf.
»Das is doch Rassistenscheiße!«
»Ne, eine Tatsache. Muß am Nachmittag jemandn treffen, also geh ich jetz lieber. Wir rufn dich später an, damit wir wissn, wies dir geht. Okay?« Ich nickte, sie ging. Da saß ich nun und mußte über das Gesagte nachdenken. Vielleicht stimmts ja, daß Blut dicker is als Wasser, aber falls ja, isses ne noch schlechtere Welt, als ich bisher gedacht hab. Engt den Kreis ganz schön ein, mit dem man verbunden sein kann. Teile und herrsche, das mögen die Macker, die das Sagn habn. Liebe is Liebe, wer auch immer liebt, das hab ich bisher immer geglaubt, Anne, und ich hab mich schon so oft getäuscht, daß ich nich auch noch hier falsch liegn will. Vielleicht werd ich Iz nie so verstehn können wie Jude, aber vielleicht kann man das ja auch umdrehn: Jude wird nie die Iz kennenlernen, die mir so viel bedeutet. Keine Ahnung. So wars jedenfalls da im Krankenhaus, und über meiner Seele hängn jetz graue Dezemberwolken. Kein Trost mehr, keine Hoffnung, keine Iz, falls Jude recht hat.
Ne Stunde später teilte mir ne Schwester mit, daß Mama ein paar Tage zur Beobachtung bleiben mußte. Ich wollte wissn, wann ich sie sehn kann. Wie alt ich sei? Zwölf. Ich sei zu jung, komm mit deinem Vater wieder. »Der is tot.« Da hatte sie sich aber schon weggedreht. Soviel dazu. »Darf ich wenigstens anrufen?« Ne andere Schwester drehte sich zu mir her und nickte. Hoffentlich hat sie die Wahrheit gesagt und mich nich bloß abgewimmelt. Sie werdn mirs schon mitteilen, wenn Mama wieder heim darf. Falls nich, kann ich auch nich viel unternehmen. Jedenfalls bin ich von der Klinik aus wieder heim und hab mich hier in die Küche gesetzt, um dir zu schrei
Tschuldige, daß ich n Stift so hingeschmißn hab, aber Iz hat angerufen, und wir telefonierten ne ganze Weile.
»Stimmt das, was Jude mir gesagt hat?« Ich hörte förmlich, wie sie das Gesicht verzog, aber konnte ihr jetz auch nich
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