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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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ist so schmerzlich, wenn man weiß, daß etwas mit einer Freundin nicht stimmt, aber die nicht darüber reden will. Vor dem Einschlafen versuchte ich mir vorzustellen, wie das sein würde, wenn ich niemand hätte, dem ich alles erzählen kann, was mir so passiert. Nicht so Zeug wie mit dem Kreditmenschen, sondern die wirklich wichtigen Dinge. Da wurde mir unheimlich. Richtige Angst habe ich bekommen, bin dann aber sofort eingeschlafen. Mitten in der Nacht wurde ich wieder wach, weil Katherine fast auf mir drauf lag, ihr Gesicht ganz nah an meinem. Mein Arm lag unter ihr und war eingeschlafen, also zog ich ihn vorsichtig heraus, ohne sie zu wecken. Mir gefiel, daß ihr Gesicht so nahe bei mir lag und küßte sie auf die Wange. Das muß sie dann doch ein wenig geweckt haben, weil sie »Geh weg, nein« murmelte und sich möglichst weit weg von mir wälzte. Ich drehte mich auf meine Seite und bedauerte, sie geküßt zu haben.
     

19. März
    Heute ist viel geschehen, Anne. Ich werde dir alles haarklein erzählen, weil dies für mich die einzige Möglichkeit ist, es selbst zu glauben. Also, das war los: Pappi war den ganzen Tag unterwegs. Als er spät am Nachmittag zurück kam, schaute er ernst drein, wie bei einer Beerdigung, nur nicht so traurig. Mama kochte Abendessen; es gab Brokkoli und Hühnchen und Kartoffeln aus neuer Ernte. Wir fragten, ob wir die Nachrichten anschauen wie immer, aber Mama und Pappi meinten, was immer auch passiert sei, würde alles andere nur noch schlimmer aussehen lassen. Gut, Boob brachte das auf keine Gedanken, aber mir war schlagartig klar, daß etwas im Busch ist, weil wir immer die Nachrichten anschauen. Mir war der Appetit vergangen vor lauter Sorgen, aber irgendwie wurde ich doch fertig mit dem Essen.
    Danach bestellte uns Pappi ins Wohnzimmer. Es gäbe etwas zu besprechen. »Was besprechen wir?« fragte Boob. Pappi erklärte, daß er sich einige Dinge überlegt habe, daß es hart werde, aber nicht so hart wie von ihm befürchtet. »Also hast du einen Vertrag gekriegt?« bohrte Boob weiter. Aber Pappi verneinte und sagte, so wie es aussehe, kriege er in nächster Zeit keine Aufträge mehr, aber mit Hollywood wisse man ja nie so genau. »Es wird sich einiges ändern, aber nur für eine kurze Zeit, nein, nicht für immer«, sagte Mama.
    »Was ändert sich?« fragte Boob. Dann haben sie angefangen, es uns zu erzählen. Als erstes haben wir nicht mehr so viel Geld zur Verfügung wie früher und zwar im Ernst, kein Blabla diesmal. Wir alle müssen uns einschränken, wo es nur geht. Boob und ich werden uns morgen zusammensetzen und ausknobeln, was wir nicht wirklich brauchen. Sie weiß davon noch nichts, aber es wird ganz schön schwierig werden. Boob braucht immer alles, aber wenn es wirklich so schlimm steht, wie ich mir das vorstelle, dann wird sie wohl etwas leiden müssen.
    Als nächstes verkündete Pappi etwas, das so unglaublich und unvorstellbar ist, daß ich es immer noch nicht auf die Reihe kriege. Er hat tatsächlich einen Job! Er wird in der Excelsior-Buchhandlung in der 57. Straße arbeiten, und zwar als einer der geschäftsführenden Angestellten. Am Montag fängt er an. Pappi hat früher bereits in Buchhandlungen gearbeitet, als er Sachen schrieb und vergeblich verkaufen wollte, bevor Boob und ich auf der Welt waren, sogar noch vor der Zeit mit Mama. »Du hast doch immer gesagt, daß du die Arbeit im Buchladen haßt?« fragte ich. Pappi stimmte mir zu, aber das sei so lange her, daß er es eine Weile schon aushalten würde. Sobald die Studios wieder einkaufen, will er aufhören. »Wie ist dein Chef?« wollte Boob wissen. Pappi antwortete, er benehme sich ganz nett, sehe aber aus wie nach einer Explosion in einer Schamhaarfabrik. Mama kriegte sich vor lauter Lachen nicht mehr ein. Ich kann mir Pappi immer noch nicht vorstellen, wie er arbeitet.
    »Und ich werde weiterhin fürchterliche Manuskripte bearbeiten, meine kleinen Lieblinge«, sagte Mama. »Mir verschlägt es die Sprache, wenn ich sehe, wie wenig die heutigen Autoren des Schreibens mächtig sind.« Sie solle vor der eigenen Haustür kehren, meinte Pappi, und beide lachten wieder. »Was ist eine Schamhaarfabrik?« fragte Boob die ganze Zeit und lachte mit. Mir ging das alles auf die Nerven, Anne, weil die Lage wirklich sehr ernst zu sein scheint, aber der Rest der Familie sich aufführt, als sei alles in Butter. Wenn sie wenigstens versuchten, das Beste daraus zu machen, wäre ich schon zufrieden. Aber sie schwanken

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