Ambient 02 - Heidern
zwischen manisch und depressiv. Alles ist holldrio, bis sich das Gegenteil herausstellt. Dann ist alles brütgrübelschlimm. Die spinnen. Mir bleibt nur, mich auf Schlimmstes vorzubereiten. Dann geht es mir nicht so mies, wenn hier alles zusammenbricht, und ich kann sie etwas aufmuntern. Vielleicht.
Dann erkundigte sich Pappi, ob wir uns erinnerten, daß die Rede davon war, für einige Monate von hier wegzuziehen. Boob hörte sofort zu lachen auf und wurde ganz still. Zu dem Zeitpunkt glaubte ich noch, er würde jetzt gleich sagen, daß wir das nicht tun müssen, weil nie mehr davon die Rede war. »Ja, ihr Schnuckel, wie gesagt, es dreht sich nur um einen kurzen Zeitraum«, bekräftigte Mama, aber sie hat keine Ahnung, wovon sie spricht. So soll es gehen: Pappi will unsere Wohnung untervermieten, bis er einen neuen Vertrag an Land zieht. Jemand, den er kennt, hat ihm noch einmal Geld geliehen, um die ausstehende Miete zu bezahlen. Ein anderes Mitglied des Schriftstellerverbandes wird hier wohnen und die anfallende Miete zahlen plus eine Kleinigkeit für unsere Umstände. Damit und dem Lohn für seine Arbeit bezahlen wir die Miete für die neue Wohnung. Der Mietvertrag ist bereits abgeschlossen. Pappi war an der Columbia Universität und hat mit denen etwas ausgetüftelt, das uns gestattet, in ein ihnen gehörendes Gebäude zu ziehen. Kein Studentenheim, ein richtiges Mietshaus. Pappi sagt, die Gegend sei sicher und das Leben dort oben werde billiger sein. Boob und ich müssen uns natürlich wieder ein Zimmer teilen. »Booz und ich sind wieder zusammen«, freute sich Boob. Mir gefällt das gar nicht, aber ich habe mir schon gedacht, daß dies eins der Opfer sein wird, die ich bringen muß. »Müssen wir die Schule wechseln?« fragte ich.
»Nie, Liebste, niemals, außer sie werfen dich raus«, sagte Mama. Pappi erklärte, daß er das Schulgeld für heuer bereits bezahlt habe, und bis zum Herbst werde er schon Geld dafür aufgetrieben haben. Er habe mit der Taylor gesprochen, und alles sei geregelt. »Was hast du ihr erzählt?« Ich solle mir keine Sorgen machen, sagte er. »Außerdem werde ich weiterhin die Augen nach einer Anstellung als Lehrkraft offen halten«, ergänzte Mama.
Pappi sagte noch, daß wir schon mit Packen anfangen sollten. Der Umzug ist am nächsten Wochenende! Eine Menge Möbel bleiben hier, aber die Betten, die Couch und ein paar Stühle, einige Kommoden und Schränke werden wir mitnehmen. Pappi sagte, meinen neuen Schreibtisch dürfe ich mit umziehen. Einiges von unserem Zeug kommt in ein Zwischenlager, aber alles, was wir brauchen, nehmen wir mit, wenn es soweit ist. »Wir sind doch keine Nomaden, ihr Lieben. Wir nehmen an weltlichen Gütern nur mit uns, was auf unsere schmalen Schultern paßt, weil wir bald schon zurückkehren werden. Soviel ist sicher«, sagte Mama.
»Ich glaub's ja«, erwiderte ich.
»Ja, glaube es nur. Ich bin mir ganz sicher.« Da kapierte ich erst, daß sie sich selbst überzeugen wollte und nicht mich, also schwieg ich.
»Ich möchte die neue Wohnung sehen«, verlangte Boob. Pappi sagte, wir könnten sie uns schon dieses Wochenende genau ansehen, sobald die Vormieter draußen sind. Dieses Wochenende heißt übermorgen.
Pappi und Mama küßten und umarmten uns. Pappi erklärte, es werde hart werden, aber das sei auch nicht so schlimm, weil man dann nicht so verweichlicht und verdorben sei. »Warst du verdorben?« fragte ich, und er verneinte natürlich.
»Er war so verdorben, daß man es mit ihm nicht im gleichen Zimmer aushalten konnte, sagt seine Mutter«, sagte Mama lächelnd.
»Wir sind auch nicht verdorben; wir sind wertvolle Juwelen«, schloß Boob das Thema unter allgemeinem Hihi und Haha ab. Nach unserem Gespräch verzog sich Boob in ihr Zimmer und ging ins Bett, um die ganze Nacht nicht mehr aufzuwachen. Jedenfalls hat sie nicht aufgemacht, als ich klopfte. Eigentlich wollte ich heute nacht mit ihr reden, um zu sehen, wie sie alles aufnimmt. Darum habe ich die Tür trotzdem geöffnet und gesehen, daß sie schon schlief. Ihr ›Foeti‹, dem inzwischen beide Arme fehlen, hat sie umgeschnallt. Sie weiß angeblich nicht, wo die Arme abgeblieben sind, aber wahrscheinlich hat sie sie im Schlaf aufgefressen.
Alles, was ich über meine Gefühle sagen kann, ist, daß ich mich nicht gut fühle. Mich hat schon immer die Vorahnung geplagt, daß unser schönes Leben so nicht ewig weitergehen würde, Anne, und ich fürchte, die Entwicklungen geben mir recht. Nach dem
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