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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Umzug werde ich wohl besser einschätzen können, wie das sein wird, ein Leben an einem anderen Ort. Jetzt liege ich gerade auf dem Fußboden, um dir zu schreiben. Ich verabscheue mein dummes Bett und den Schreibtisch und will sie gar nicht mitnehmen. Klar, das ist kindisch, aber so fühle ich mich gerade. Und es tut mir nicht leid. Ich will nicht von hier weg, Anne, nie und nimmer!
    Gute Nacht.
     

20. März
    Heute war Freitag, und die Ferien gehen auch zu Ende. Ich wachte sehr früh auf und bin zu Boob ins Zimmer. Sie döste noch vor sich hin, also setzte ich mich an ihre Seite und schüttelte sie wach. »Verzieh dich«, knurrte sie, als sie sah, daß ich es war.
    »Mit dir alles in Ordnung?« fragte ich sie.
    »Ich will schlafen.«
    »Komm, raus da. Wir müssen packen. Boob, steh auf!«
    »Mag nicht.«
    Wie du dir denken kannst, ging das eine Weile so, bis ich Boob schließlich dazu brachte, sich aufzusetzen und wirklich wach zu werden. »Wie geht es dir mit all dem?«
    »Was meinst du damit?«
    »Umziehen«, sagte ich, während sie wieder zurücksackte.
    »Ich bin zu müde, um mich umzuziehen.«
    »Ich rede von unserem Umzug, davon, daß wir aus unserer Wohnung müssen und woanders wohnen.«
    »Wir kommen ja zurück. Wie bei unserer Reise nach London: Da wohnten wir auch in einer anderen Wohnung.«
    »Das war nur für einen Sommer. Natürlich sind wir danach wieder zurückgekommen. Diesmal wird es anders sein.«
    »Wird es nicht.«
    Sie sah mich einfach nicht an, als ich mit ihr sprechen wollte, also ließ ich es. Wenn sie sich nicht aufregt, dann hat es keinen Sinn, sie aufregen zu wollen. Das kommt noch früh genug. Wie auch immer, als wir alle wach waren, frühstückten wir und begannen, unsere Sachen einzupacken und überflüssiges Zeug auszusortieren. Wir putzten danach die Einbauschränke im Flur, im Wohnbereich und das ganze Hauswirtschaftszimmer. Mama ließ Boob Sachen von einem Stapel auf einen anderen Stapel türmen, damit sie beschäftigt war. Als wir mit dem Ausräumen und Putzen der Schränke fertig waren, wandte sich Mama wieder ihren Manuskripten zu. Ich weiß, das regt sie alles furchtbar auf, aber sie tut so, als sei gar nichts los.
    In den Abendnachrichten hieß es, die Lage in Brooklyn habe sich beruhigt, aber weitere Unruhen seien an verschiedenen Orten auf Long Island ausgebrochen. Der Bürgermeister kündigte an, er wolle den Präsidenten bitten, mehr Armee-Einheiten zu entsenden. Dazu hieß es dann, der Präsident sei zu beschäftigt und habe weder bestätigt noch abgelehnt.
    Heute abend schreibe ich dir nur, was ich bis jetzt geschrieben habe. Es ist sehr spät, und ich falle fast um. Jeder Muskel, den ich habe, scheint gerissen. Ich kann kaum noch gehen, so müde bin ich. Falls ich nicht vollends zusammenklappe, schreibe ich dir morgen wieder.
     

21. März
    Heute bin ich wieder vor allen anderen aufgewacht. Ich war dermaßen steif in den Gliedern, daß mir klar war, das beste sei es, mich zu bewegen und mich zu lockern. Also ging ich ins Wohnzimmer und machte Gymnastik. Wie jetzt anscheinend üblich an einem Samstagmorgen rief der Kredithai wieder an. Natürlich habe ich seine Stimme sofort wiedererkannt und wollte gleich auflegen, bevor er mir wieder fiese Dinge erzählen konnte. Hat aber nicht funktioniert, weil er mich sofort erkannte und »Sie kriegen dich!« sagen konnte. »Halten Sie den Mund!« war meine Antwort, dann drückte ich die Gabel und legte den Hörer daneben. Zuerst dachte ich, Pappi habe vielleicht noch nicht alle Rechnungen bezahlt, aber dann kam mir in den Sinn, daß der Kerl vielleicht nur noch meinetwegen anrief, so eine Art obszöner Anrufer eben. Wundern würde es mich nicht. Nach zwanzig Minuten Gymnastik ging es mir viel besser. Meine Sportlehrerin, Frau Norris, hat zu mir gesagt, ich sei sehr kräftig für mein Alter, und ich solle mir überlegen, ob ich nicht Tennis oder gar Fechten in Erwägung ziehen sollte. Ich bin jetzt schon fast so groß wie Pappi. Und über kurz oder lang bin ich viel stärker als er. Pappi ist ja auch nicht gerade der Machotyp, worüber ich froh bin, weil ich Machos nicht mag. Er wäre dann wie einer von den Jungs auf Loris Party, deren man sich ständig erwehren muß. Er war auf einer gemischten Schule, keiner reinen Knabenschule, und das hat bei ihm geholfen, glaube ich. Reine Knabenschulen machen sie noch schlimmer, bestimmt.
    Nach dem Anziehen ging ich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich eine Zeitlang auf die Couch und sah

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