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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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verschiedenen Geschichten, die man so hört. Was sie den Leuten antun. Wie man sich verhält, wenn man nicht mehr die gleiche Person wie früher ist.
    Weil ich das Nickerchen gemacht habe, konnte ich nicht gleich einschlafen und nutze jetzt die Gelegenheit, dir ausführlich zu schreiben, was passiert ist. Du denkst wahrscheinlich, wann ich endlich die Klappe halte, Anne, aber bei dir fällt es mir so leicht zu reden. Wenn ich dann in Fahrt bin, gibt es kein Halten mehr. Bevor ich hier losgelegt habe, kam im Fernsehen eine Werbung für Kure-A-Kid. Sie zeigte einen Jungen, der sich alleine herumtreibt. Er trägt eine Heavy-Metal-Jacke mit einem Totenkopf drauf. Sein Gesicht ist voller Pickel und sieht aus wie eine Pepperoni-Pizza. Er raucht einen Joint. Dann lacht er wie irre und läuft auf die Straße vor all die Autos. Alle können ihm knapp ausweichen, bis auf diesen großen Laster, der ihn voll umfährt. Der Schauspieler, der den Jungen spielt, muß ein Stuntman sein, weil man anschließend sieht, wie er mitgeschleift wird, unter alle Räder gerät, zermanscht wird, und das viele Blut spritzt direkt auf den Bildschirm. Ist das Bild dann vollkommen rot, erscheint eine Schrift: ZIEHEN SIE DIE BREMSEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST. Ein echter Magenumdreher, doppelhart, aber neulich lief ein Spot für AMERIKA OHNE DROGEN, der war so jenseits, daß ich Angst hatte, Pappi wird ohnmächtig.
    Ich bin jetzt fix und fertig, Anne, also höre ich jetzt lieber auf. Du wärst taub wegen meines Gelabers, wenn du Ohren hättest. In sechs Wochen ist der 25. April. Schlaf gut.
     

15. März
    Heute ist mir nicht nach Schreiben, Anne. Tut mir leid, aber so ist das manchmal. Morgen schreibe ich dir wieder.
     

16. März
    Es ist furchtbar, Anne. Jemand von der Immobilienverwaltung war heute früh bei unserer Wohnung und hat einen Zettel an die Tür geklebt. Ich habe ihn gefunden, als ich runterlief, um die Post zu holen. Als ich ihn Pappi gab, ging der in sein Arbeitszimmer und kam ganz lange nicht mehr heraus. Als er endlich wieder auftauchte, hat er kein Wort gesagt. »Was ist los?« war meine erste Frage. Nichts sei los, antwortete Pappi. Später, als ich sicher war, daß Boob ausreichend abgelenkt ist, weil sie irgendeinen blöden Film im Fernsehen anschaute, ging ich zu Mama und wollte eine Auskunft. Sie sah sehr müde aus, und meiner Meinung nach hatte sie mehr Irgendwas genommen als sonst, mehr Xanax. Oder vielleicht ist sie ja auch wieder auf Prozac. Ihr Arzt verschreibt ihr sechserlei Dinge, aber alle scheinen sie nur furchtbar schläfrig zu machen.
    »Der Hausbesitzer stellt uns nach, Liebes. Er droht uns mit allen möglichen Sachen.«
    »Womit droht er uns?«
    »Vermieterdrohungen eben, Schnuckel. Aber bitte keine Panik, Pappi hängt am Telefon und redet mit Leuten, die er kennt.«
    »Damit sie ihm Arbeit geben?«
    »Ja. Es muß jetzt ernsthaft etwas unternommen werden.«
    »Warum ist der Vermieter wütend auf uns?«
    »Er will seine Miete.«
    »Hat Pappi die nicht erst neulich bezahlt?«
    Mama nickte. »Die Rente vom November, ja. Wir sind etwas im Rückstand.«
    Rückstand? Wir hängen Lichtjahre hinterher! Ich fasse es nicht.
    »Was passiert als nächstes?«
    »Oho, Liebes. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Wir passen immer auf euch auf. Immer. Wir sind in einem Schlamassel, aber glaub mir, dein Vater verfügt über unerschöpfliche Ressourcen.«
    Ich glaube ihr. Gleich nach dem Gespräch mit Mama rief Katherine an und fragte, ob wir morgen etwas zusammen unternehmen wollen, wo doch Ferien sind. Welche Freude, daß sie sich gemeldet hat! Natürlich habe ich Lust, aber kein Geld fürs Kino oder Coffeeshops, also fragte ich sie, ob sie nicht bei uns vorbeischauen wolle. Sie wollte dann sogar übernachten. Ich fragte Mama und die sagte: »Jederzeit, Liebes. Katherine bricht doch sicherlich das Herz wegen der Sache mit Lori. Lade sie ein und trauert ein wenig zusammen.« Also habe ich ihr zugesagt. Sie kommt morgen um die Abendessenszeit.
    Heute abend verschwanden Mama und Pappi im Arbeitszimmer und blieben lange drin. Boob war irgendwie erschöpft heute, also habe ich sie früh zu Bett gebracht und danach auf Mama und Pappi gewartet. Bis 11 Uhr ließ ich ihnen Zeit, aber da waren sie immer noch drin, also klopfte ich. »Komm herein, Schnuckel, es ist ja schon so spät.« Als ich eintrat, sah ich, daß sie vor dem Computer saßen, Zahlenkolonnen addierten und mathematische Probleme lösten. »Macht ihr einen Haushaltsplan?« So was

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