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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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als Central Park, der ohnehin viel schöner ist.
    Die Wohnung selbst ist wirklich schlecht. Ich sage das nicht nur, weil es nicht unsere alte ist, Anne. Die Fußböden sind durchgetreten, und die Wände haben Risse. Eigentlich ist sie schon groß, aber nicht so groß wie die jetzige, und überhaupt nicht so schön. Sie besteht aus einem Wohnzimmer, einem kleineren Raum, der wohl als Eßzimmer gedacht ist, zwei Schlafzimmern, einer Küche und einem Bad. Pappi nimmt das kleine Zimmer als Arbeitszimmer. Ein langer, dunkler Flur verbindet die Räume. Im Sommer wird es hier furchtbar heiß werden, auch wenn wir tragbare Klimaanlagen mitbringen, die wir zumindest in den Schlafzimmerfenstern installieren wollen. Zudem gibt es nur zwei Einbauschränke in der Wohnung, die innen halb verrottet wirken.
    Boob nannte die Wohnung einen Slum. Pappi widersprach und nannte sie ›studentisch‹. Er sagte, sie sei ein Glückstreffer, weil die Studenten hier üblicherweise mehr als wir bezahlten. Mama schien mit der Bude auch nicht glücklich, schwieg aber. Meiner Meinung nach hatte sie heute mehr Tabletten als sonst genommen, da sie besonders ruhig war, und jedesmal, wenn sie sich setzte, schienen ihre Gedanken weit fort zu driften. Nach der Besichtigung spazierten wir den Broadway hinunter. Nach meinem Dafürhalten sah hier keiner wie ein Student aus, erst als wir direkt an die Columbia kamen. Die Bauten am Broadway, die zum Campus gehören, sind alle von Stacheldraht umgeben, weil die Kriminalitätsrate hier so hoch ist. Und die Typen an den Toren sahen aus wie richtige Polizisten mit Maschinenpistolen, wie am Flughafen. Und die Studenten sahen bei genauerer Betrachtung irgendwie auch nicht nach Studenten aus.
    Wir nahmen den Bus an der 110. Straße, kreuzten die Stadt und fuhren dann die Fifth Avenue hinunter. Als wir wieder unsere Wohnung betraten, hörten wir ein Echo, weil die Teppiche bereits aufgerollt und die Vorhänge im Arbeitszimmer abgenommen sind. Pappi sagte, sie seien so teuer gewesen, daß er nicht wolle, daß ihnen etwas zustößt, wenn jemand Fremder hier in der Wohnung lebt. Die Wände scheinen mit Pusteln und Flecken übersät, als hätten sie die Masern. Unsere Kisten sind alle im vordersten Zimmer aufgestapelt, weil sie dann gleich zur Hand sind, wenn es losgeht mit dem Umzug.
    Pappi ging heute schon früh zu Bett, da er ja morgen aufstehen muß, um zur Arbeit zu gehen. Mama sagte, es sei das erste Mal seit er 35 war, daß er zur Arbeit muß. Er ist jetzt 50, Mama 47. Anscheinend werden sie langsam zu alt für die Art Veränderung, die ansteht, was mir seltsam erscheint, da ich sie mir noch nie alt vorgestellt habe. Ich saß abends bei Mama im Wohnzimmer, die eine Kommode ausputzte. Es war traurig. »Schau dir mal dieses dumme Bild an, Schnuckel«, forderte mich Mama auf und zeigte mir ein Photo von sich und Pappi im Rockefeller Center. Es muß Weihnachten gewesen sein, weil hinter ihnen der Christbaum stand. »Wenn dein Vater nur ein wenig größer wäre, wüchse der Stern dort direkt aus seinem Kopf heraus«, witzelte Mama.
    »Wart ihr da schon verheiratet?«
    »Waren wir das, hmmm?« wiederholte sie meine Frage und starrte das Photo an. »Ich glaube ja, Liebes, aber wie es mit alten Bildern so ist, man täuscht sich so leicht. Es kann wann auch immer aufgenommen worden sein.« Sie warf das Bild auf einen Stapel mit Unrat, der weggeworfen werden soll.
    »Mach das nicht. Ich will das Bild.«
    »Ach, Engelchen, da wollte ich es ja auch gar nicht hinwerfen. Also los, rette es, und wenn du es behalten möchtest, Schnuckel, dann bewahre es an deinem Herzen auf.«
    »Ich lege es in mein Tagebuch.« Und genau da ist es jetzt, zwischen diese zwei Seiten hier gesteckt. Dann haben wir über dich gesprochen, Anne.
    »Hast du es denn geschafft, jeden Tag etwas hineinzuschreiben?«
    »Fast, ja.«
    »O Liebes, in den letzten Wochen ist so viel Schlimmes passiert. Das Buch muß ja ein Anschlag auf die Tränendrüsen sein.«
    »Nein, nur ein Bericht von allen guten und schlechten Begebnissen, nicht mehr.« Sie zog einen alten Aschenbecher hervor, der wie ein roter Fuß aussah.
    »Schau dir mal dieses Trum hier an, Liebes. Michael hat es benutzt, als er noch rauchte. Lies mal, was da drauf steht.«
    Ich las also, was draufsteht: I Get a Kick Out of Rhode Island.
    »Keinen blassen Schimmer, was wir da oben getrieben haben. Aber es wird schon interessant gewesen sein.«
    Sie stand auf und ging in die Küche, um das Teil in den

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