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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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aber eigentlich tue ich das nicht. Der neue Präsident ist jener Typ, über den sich immer alle Leute lustig machen. »Das einzige, was die alle zusammen können, ist Golf spielen, meine Liebe. Es ist eine Schande«, sagte Mama. Außerdem erzählte sie, daß alle Leute furchtbar traurig waren, als Präsident Kennedy erschossen wurde, aber heute wirkte niemand sonderlich betroffen, also bin ich nicht ganz allein.
    Es ist so schon schwer genug, dauernd packen zu müssen, jetzt, wo Pappi den ganzen Tag arbeitet und Boob und ich wieder zur Schule gehen. Eigentlich haben wir nur abends Zeit dazu. Also muß ich dich warnen, Anne: Du wirst diese Woche darunter zu leiden haben, weil ich wohl zu müde sein werde, um dir viel zu schreiben, besonders wenn die Abende so sind wie heute. Nicht, daß wir schwere Sachen herumtragen oder was besonders Schlimmes passiert wäre, aber es ist einfach so viel Zeug.
    Katherine traf ich, als wir noch nichts von der Ermordung des Präsidenten wußten. Sie weinte beim Mittagessen. Zuerst glaubte ich, jemand wäre wieder gemein zu ihr gewesen, aber sie weinte, weil ich wegziehe. »Aber wir sehen uns doch trotzdem andauernd, in der Schule sowieso, und du kannst mich ja jederzeit besuchen.«
    »Du bist dann so weit fort.«
    »Ach, Unsinn, ich wohne doch nur auf der anderen Seite der Stadt.«
    »Dort ist es gefährlich.«
    »Wer sagt das?«
    »Meine Mutter und mein Vater. Sie haben mir verboten, bei dir zu übernachten, wenn du weggezogen bist.«
    »Weil es zu gefährlich ist? Das ist es doch gar nicht«, sagte ich, obwohl ich dir ja geschrieben habe, Anne, daß das neue Viertel keineswegs so schön wie unseres ist.
    »Sie behaupten es aber. Du bist doch meine letzte wirkliche Freundin, jetzt, wo Lori auch weggeschickt worden ist. Was soll ich bloß anfangen?«
    »Darf ich denn manchmal bei euch übernachten?«
    »Vielleicht.«
    »Das wäre doch nur fair«, sagte ich. Sie erwiderte, sie würde ihre Eltern fragen. Ich mag ihren Vater absolut nicht, also wäre es mir lieber, sie darf bei uns in der neuen Wohnung bleiben. Aber wenn es keinen anderen Weg gibt, dann halt so. Es ging ihr besser nach unserem Gespräch beim Mittagessen, und es hat mich gefreut, daß ich sie etwas aufheitern konnte.
    Boob und ich löcherten Pappi, wie es denn heute in der Arbeit gewesen sei. Er behauptete, eigentlich ganz ordentlich. Herr Mossbacher hat Pappi heute gezeigt, wie die Einnahmen abgeliefert werden müssen und wie man die Arbeitszeit der Mitarbeiter einteilt, wenn die Hälfte der Leute erst gar nicht auftaucht, was öfters der Fall zu sein scheint. Am Abend lag Pappi die halbe Zeit auf der Couch, anstatt uns packen zu helfen, weil er heute zweihundert Kisten voller Plastiktüten herumschleppen helfen mußte.
    In den Nachrichten verkündete der neue Präsident, daß niemand Grund habe, sich über die Lage Sorgen zu machen. Welche Lage er meinte, hat er nicht gesagt.
     

25. März
    Heute fiel die Schule aus im Gedenken an den Präsidenten. Und morgen ist auch frei, weil da die Beerdigung ist. Pappi muß schon zur Arbeit. Dank Mossbacher schließt Excelsior nur an Thanksgiving und an Weihnachten. Es macht mir nichts aus, daß ich nicht zur Schule muß.
    Verzeih mir, Anne, daß ich jetzt schon Schluß mache, aber ich bin zu müde. Morgen schreibe ich mehr, versprochen.
     

26. März
    Der Präsident wurde einen Tag früher als üblich beerdigt, weil das Capitol nicht ausreichend geschützt werden konnte, um ihn die volle Zeit aufgebahrt liegen zu lassen. Das ist, wenn der Sarg vorne aufgestellt wird und jedermann vorbeigeht, um den Toten noch einmal zu sehen. Während wir das Begräbnis im Fernsehen verfolgten, erzählte Mama, daß sie sich an Kennedy erinnert, daß es damals eine lange Schlange von Limousinen gab und ein Pferd mit leeren Stiefeln und daß den ganzen Tag getrommelt wurde. Heute fuhren sie den Präsidenten einfach zum Friedhof und beerdigten ihn – aus Sicherheitsgründen. Sein Nachfolger hielt eine Rede, in der er sagte, er habe nicht die Absicht, etwas zu verändern oder zu unternehmen, da eh alles in bester Ordnung sei. »Wenn das so ist, dann werden sie ihn nächste Woche auch erschießen, und das ist dann keine Minute zu früh«, sagte Mama.
     

27. März
    Jetzt, da der Präsident unter der Erde ist, tun alle so, als sei nichts passiert. Keiner sagt was, nichts kommt im Fernsehen darüber, alles dreht sich wieder um die Notsituationen überall. Die Schule machte heute schon wieder früher

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