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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Schluß, obwohl wir ja gerade zum ersten Mal wieder da waren, und mir tat es wieder nicht leid. Was war passiert? Der Wind blies den Rauch von Long Island über den Fluß und in unsere Ventilationsschächte. In den Klassenzimmern stand der Rauch so dick wie Nebel, außerdem stank er. Auf der anderen Flußseite sah es aus, als tobe dort ein Hagelsturm, so finster waren die Wolken, so hoch reichten sie in den Himmel. Eigentlich haben wir heute in der Schule eh noch nichts getan, nur versucht herauszufinden, was wir an Stoff noch nicht erledigt haben.
    Trotz meiner Müdigkeit möchte ich versuchen, dich wieder auf den Stand der Dinge zu bringen. Zuerst eine Art guter Neuigkeit. Katherine hat ihren Vater und ihre Mutter gefragt, ob ich irgendwann übernachten dürfte. Sie sagten, sie ließen es sie wissen, wenn sie darüber beraten haben. Warum sie sich da groß beraten müssen, als ginge es um das Ende der Welt, wenn ich mal bei ihnen schlafe, verstehe ich nicht. Aber so sind die nun einmal. Katherine meinte, es sei sowieso schon gut, weil sie nicht gleich nein gesagt haben. Das tun sie nämlich fast immer, wenn Katherine sie um etwas bittet.
    Mama tut so, als mache ihr das Redigieren und Korrekturlesen einen Heidenspaß. Mit dem ersten Schwung ist sie fast durch. Sie sagt, daß sie hofft, Anfang nächster Woche mehr Manuskripte zu kriegen, obwohl die Leute im Verlag gesagt haben, daß sie nicht wissen, ob und wieviel sie ihr geben können. »Schnuckel, ich werde wie eine Sklavin schuften, wenn sie mir nur etwas geben.« Mir ist es lieber, sie arbeitet viel, weil sie dann weniger Tabletten braucht, obwohl sonst auch noch so viel los ist, der Umzug zum Beispiel.
    Pappi behauptet, sein Job sei okay. Allerdings sagt er auch, er erinnere sich jetzt wieder, warum er einst so froh darüber gewesen sei, nicht mehr in Buchhandlungen arbeiten zu müssen. Da widerspricht sich doch einer, dachte ich mir und fragte: »Wie kann man etwas vergessen, das man derart gehaßt hat?« Da gab er zu, daß er gerne übertreibt. Er erzählte weiter, daß die Leute, die für die Kasse eingestellt werden, zuerst lernen müßten, wie man addiert, bevor man sie an die Theke stellen kann. Pappi bezweifelt sogar, daß jeder lesen kann, der in diesem Laden arbeitet. »Warum haben sie dann den Job gekriegt?« Herr Mossbacher gebe Menschen gerne eine Chance, sagte Pappi. Er sei sicher, daß die Hälfte der Typen im Excelsior nicht einmal ihren Namen hinkrakeln könnten, na ja, Blockschrift vielleicht. Das sei typisch für diese Zeit. Kannst du dir so etwas vorstellen, Anne?
    Boob gab vor, Kopfweh zu haben. Also stopfte Mama sie mit Kinder-Aspirin voll und schickte sie nach dem Abendessen ins Bett. Zu mir sagte sie: »Bitte, Liebes, sieh nach, ob deine Schwester ordentlich zugedeckt ist. Und frag sie, ob sie noch etwas braucht?«
    »Hast du alles?« wollte ich von Boob wissen, als ihr Zimmer betrat. Sie war schon zugedeckt, samt ›Foeti‹ und allem.
    »Mir fehlt es an nichts, doch nehmet bitte jenen schröcklichen Schraubstock von meinem Haupt!«
    »Schraubstock?«
    »Jenen welchen, den Ihr mir anheftetet, als ich gerade nicht hinsah.«
    »Halt den Rand, Boob. Schlaf jetzt. Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.«
    »Gehet gut. Schlafet wohl.«
    Sie klang nach mir, wenn ich behaupte nachzudenken. Na, egal, ich duschte und wünschte Mama und Pappi eine gute Nacht, dann ging ich zu mir, um dir zu schreiben, Anne. Es ist nicht gerade gemütlich hier, weil alle möglichen Schachteln auf dem Schreibtisch sich türmen wie zu einer Barrikade. Wäre Boob auf der anderen Seite, könnte ich siedendes Öl auf das Burgfräulein hinuntergießen.
    Das also ist die letzte Nacht in unserem Haus. Dir kann ich wenigstens erzählen, was ich wirklich fühle. Zu Mama und Pappi und Boob habe ich nichts sagen wollen, weil die ihre eigenen Sorgen haben wegen der ganzen Angelegenheit. Beim Essen wollte Mama zwar wissen, wie es mir so gehe, aber ich sagte nur: »Keine Probleme. Was kann man auch machen?«
    »Jede Menge kann man machen. Und wir werden das auch tun, Liebling.«
    »Jetzt können wir nur noch umziehen. Das tun wir. Dann sehen wir weiter«, war meine Antwort.
    Mama nannte mich Pessimistin, aber das bin ich nicht. Ich sehe nur keinen Sinn darin, mir etwas vorzumachen über das, was wirklich passiert.
    Ich bin traurig, Anne, weil ich nicht glaube, jemals wieder hierher zurückzukommen. Wenn es nach den anderen geht, dann muß sich keiner Sorgen machen. Aber ich habe

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