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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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bin ich aufgewacht. Deswegen kann ich kaum mehr die Augen offenhalten, während ich dir hier schreibe.
    Als wir am Nachmittag auf dem Heimweg von der Schule an der Genossenschaftsbude vorbeigingen, sahen wir ein neues Schild am Zaun um das Gebäude, auf dem ›Alarmgesichert‹ stand. Pappi hatte recht mit seinem Tip, wer die Schuldigen wären. Das Haus selbst sieht genauso aus wie unseres, ist nur besser in Schuß, was nicht heißen soll, daß es gleich das Dakota Building ist. Der Posten der Tagschicht stand draußen, so ein schmächtiger, kleiner Inder. »Warum muß die neue Alarmanlage solchen Lärm machen?« fragte ich ihn. Er forderte Boob und mich auf, umgehend das Gelände zu verlassen, weil er sonst Gegenmaßnahmen ergreifen müsse. »Gegenmaßnahmen? Was soll das? War doch nur eine Frage?« Er hat eine Pistole und fing an, sie zu tätscheln, als sei sie sein Freund. Ich bin zwar fast so groß wie er, aber er mußte doch sehen, daß ich keine Mörderin bin oder so was! Jedenfalls jagte er Boob Angst ein, darum zogen wir ab, ich schützend vor Boob. Als ich mich noch einmal umdrehte, sah er wirklich aus, als wolle er schießen. Vor was fürchtete er sich, Anne, daß wir ihn zu Tode hänseln oder was? Als wir dann die Straße überquerten und an dem Gemüseladen vorbeigingen, fingen ein paar von den Hispaniern, die dort abhingen, zu pfeifen an und riefen »He, Culo Culo«, was meine Vagina meint, glaub ich. Das brachte mich zwar auf, aber ich hielt meinen Mund. Hilft eh nichts. Keiner hindert eine schleimige Kröte am Quaken.
    Im Treppenhaus riecht es, als würde einer ständig Linsen kochen. Ich hasse Linsen. Dazu pissen Menschen dauernd an den Aufgang, und es riecht wie in der U-Bahn. Heute früh war es derart schlimm, daß es mich würgte und mir die Augen tränten. »Als ob man zu Saks ginge und sich freiwillig mit Tränengas abspritzen ließe«, meinte Boob, aber in Wirklichkeit ist es hier noch schlimmer.
    Da Pappis Laune heute wieder besser war, scheint das gestern doch nichts so Ernstes gewesen zu sein. Mama ist mit den Manuskripten durch und wartet auf Nachschub. In der Zwischenzeit nimmt sie Prozac. Die Flasche stand heute früh einfach so im Bad herum. Wir haben hier ja nur ein Bad, was bedeutet, daß immer einer wartet, bis es endlich frei ist. Pappi hat heute so lange gebraucht, daß ich auch vors Haus gegangen bin und neben den Aufgang gepinkelt habe.
    April, April: würde ich nie tun!
     

2. April
    Das Fahrschülerdasein bringt mich um, Anne! Nie mehr werde ich ganz ausgeschlafen sein. Die Busse hatten alle Verspätung, und wir mußten die 86. Straße hinunterlaufen bis zur Brearly, damit wir es gerade rechtzeitig zum Schulgong schafften.
    Mama ist heute abend ausgeprozact, also taute Pappi das Essen auf. Als ich ihm danach abtrocknen half, sah ich, daß in sein Hemd ein Loch gebrannt war. Natürlich fragte ich, was passiert sei. Pappi erzählte, daß ein Kunde am Morgen in den Laden kam und rauchte, obwohl es gesetzlich verboten ist. Wenn Herr Mossbacher auf der Straße oder im Laden jemanden rauchen sieht, erzählte Pappi, dann fängt er hysterisch zu schreien an, bis er alle zu Tode erschreckt hat. Mossbacher war heute morgen ganz vorne im Laden und staubte das Regal unter der Kasse ab, also forderte Pappi den Kunden sofort auf, das Rauchen zu unterlassen. Der Mann schnippte sie nach Pappi und stapfte aus dem Geschäft. Pappi drückte sie aus, bevor Herr Mossbacher sie zu sehen bekam, weil er sonst ihn angebrüllt hätte. Pappi erzählte noch, der Kerl habe ganz normal ausgesehen und einen netten Anzug getragen, aber man könne heutzutage nicht mehr sagen, wer abgedreht sei und wer nicht.
    Die Aufständler haben heute ein Waffenarsenal in Brooklyn angegriffen und eingenommen. Der Bürgermeister hat heute im Fernsehen allen erklärt, die dort wohnen, wie sie sich und ihre Häuser gegen die Randalierer schützen können. Außerdem bewacht jetzt Polizei die Brücken und U-Bahnen, damit sie nicht alle hier herüberkommen können. Mir gefällt es bei uns überhaupt nicht, aber im Moment bin ich lieber hier als in Brooklyn. Der Präsident beschied heute unseren Bürgermeister, daß er keine Truppen schicken werde, wegen der Lage in Washington, von anderswo ganz zu schweigen.
    Jetzt fängt »Warnung! Warnung! Warnung!« wieder an! Zum achten Mal seit ich daheim bin. Ich vermute, die Wachen lösen die Stimme selbst aus, um den Anschein zu erwecken, daß sie viel zu tun haben.
     

4. April
    Da ich

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