Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
Isabel. Nenn mich Iz.«
    »Okay.«
    Pappi und Man-With-Van kamen die Treppe herunter. Sie sah ihnen nach, und ich erblickte dabei ein großes Mal an ihrem Nacken, als habe sie einen Knutschfleck. Ihr Mund ist so riesig, daß sie bestimmt eine ganze Tomate auf einmal hineinschieben kann. An den Ohren trägt sie vier Paar Ohrringe und einen in der Nase.
    »Auch besessen?« fragte sie.
    »Der Möbelmensch? Nein, der nicht. Du hast uns gestern bereits zugesehen?«
    »Mhmmmm. Besser dein Alter hätte ihm den Arsch weggedillingert am Ausflipp-Punkt.«
    »Bitte?«
    Iz lächelte und hielt mir ihre Hand entgegen, den Zeigefinger und den Daumen zu einer Pistole geformt. Den Finger hielt sie mir an die Stirn und knickte den Daumen ab. »Dillinger. So. Kawumm. Sehn uns.« Sie drehte sich um und ging den Broadway hinauf. Pappi wollte wissen, ob sie mich belästigt habe, und ich sagte, nein, überhaupt nicht. Das war also mein erstes Gespräch mit jemandem aus diesem Viertel, Anne.
    Heute sieht es immerhin fast schon so aus, als würde hier jemand wohnen. Die Wohnung wirkt viel leerer als die alte, obwohl sie um einiges kleiner ist. Wir haben keine Teppiche mehr, weil wir die unseren alle zusammen mit Möbeln wie dem Eßzimmertisch und dem Geschirrschrank ins Lager gegeben haben. Alle Bilder, die bei uns an der Wand hingen, sind auch im Möbellager, also werden wir uns nach Postern umsehen, die wir aufhängen wollen. Boob hat sich vor dem Abendessen schon ihr erstes Bild gemalt. Es zeigt uns vier in einem großen, gelben Quadrat. Wir lächeln alle und sind glücklich. Außen um das Viereck drängen sich schwarze Wirbel wie von einem Sturm oder Brand. Sie zeigte uns ihre Zeichnung, und Mama hat sie gleich für sie an die Wand unseres gemeinsamen Zimmers geheftet.
    Außer mir gingen heute alle früh schlafen. Ich blieb noch auf, nicht, weil ich nicht müde gewesen wäre, sondern weil es mir abgeht, wenn ich dir nicht schreibe und erzählen kann, was alles passiert ist. Neuerdings ist es ja ziemlich schwierig zu beurteilen, ob ich dir werde schreiben können oder nicht, mit Boob im Zimmer und so, aber ich werde jede Gelegenheit nutzen. Es wird auf alle Fälle schwieriger. Wie alles andere auch. Das hier schreibe ich am Küchentisch, weil ich Boob nicht stören will, wenn ich das Licht brennen lasse. Ich kann auch den Fernseher nicht mehr einfach so laufen lassen, um ein Geräusch zu erzeugen, das mich etwas ablenkt, weil hier die Wände so dünn sind, daß keiner schlafen könnte. Von draußen kommt eine Sirene nach der anderen, dazu laute Musik. Dazu fährt alle zehn Minuten die U-Bahn auf dem Hochgleis vorbei, ein wahnsinniger Krach! Jetzt begreife ich erst, wie ruhig unsere alte Gegend war. Da freue ich mich doppelt auf die Schule morgen, Anne, weil ich dann von hier wegkomme.
    So, jetzt sind wir also eingezogen. Mal sehen, was als nächstes passiert. Eine gute Nacht.
     

30. März
    Die Woche fing großartig an. SCHWINDEL. Boob und ich verließen die Bude gegen 8 Uhr, gleich nach Pappi. Wir wollten ausprobieren, ob wir so bis um 9 Uhr locker in der Schule sind. Wann, glaubst du, sind wir angekommen? Um halb zehn. Natürlich ging alles schief.
    Erst kam zehn Minuten lang kein Bus. Als er kam, war er einer von dreien, die gleichzeitig vorfuhren. Zwei hielten erst gar nicht. Natürlich blieb der vollste stehen. Der vollste Bus ist immer auch der langsamste. Er schien sich nur zentimeterweise fortzubewegen, aber wenigstens konnten wir uns nach hinten durchwühlen und ergatterten für ein paar Minuten zwei Sitze. Leider durften wir nicht lange unser Glück genießen, weil an der 108. Straße ein Rollstuhlfahrer zustieg. Der Busfahrer bedeutete uns aufzustehen, damit er unsere Sitze hochklappen konnte, um Platz zu schaffen für den behinderten Kerl. Dann setzte er den Bus tiefer, damit er an Bord rollen konnte. Der Behinderte begann, den Busfahrer anzubrüllen, weil zwei oder drei andere Busse nicht gehalten hätten, angeblich, weil zu wenig Platz gewesen sei. Dann wollte er noch den Namen und die Nummer unseres Fahrers, bevor der sich noch nach vorne verziehen konnte, um sich über ihn zu beschweren. Keine Ahnung, warum er den Fahrer anschwärzen wollte, der wegen ihm gehalten hatte, aber ich glaube, er war einfach wirr im Kopf, obwohl er ja im Rollstuhl saß. Die ganze Fahrt saß er da und fluchte vor sich hin. Boob hat dann auch noch seinen Rollstuhl angerempelt, als wir ausstiegen. Da ließ er seine Hand niedersausen, als wolle er

Weitere Kostenlose Bücher