Ambient 02 - Heidern
wieder daheim bin, muß ich dir sofort erzählen, was gestern drüben bei Katherine los war.
Zuerst deutete alles auf einen wunderbaren Abend hin. Nach der Schule bummelten Katherine und ich die 86. Straße entlang und kauften uns als erstes Pizza-Ecken. Die Rote Armee ist zwar im Abmarsch begriffen, aber immer hungrig. Ich mußte einfach etwas essen. Dann schauten wir bei Elk Candy rein, und jede kaufte sich einen Marzipanfisch für später. Eigentlich hatten wir ja vor zu bummeln, aber es waren Gangs aus älteren Kindern unterwegs, die aussahen, als seien sie auf Ärger aus, da wollten wir nicht hineingeraten. Also verdrückten wir uns.
Wir gingen in ihre Wohnung. Katherines Eltern waren noch nicht daheim, also konnten wir uns ins Wohnzimmer setzen und Cassetten auf der guten Anlage anhören. Nach fünf wurde ihr etwas mulmig, weil sie gleich kommen mußten und Katherine nicht erwischt werden wollte. »Erwischt bei was?« Katherine antwortete: »Daß wir uns im Wohnzimmer aufhalten.« Wie sich dann herausstellte, kam ihre Mutter erst gegen sechs. Sie schob für uns zwei Schlankmacher-Menues in die Mikrowelle. Wir hatten nämlich noch nichts gegessen, weil wir von der Pizza noch so satt waren. Ich nahm Hühnchen Cacciatore und Katherine Hühnchen Amandine. Es schmeckte schrecklich, aber ich habe auch schon noch scheußlicher gegessen.
»Wie gefallen dir deine Hauptfächer, Lola?« fragte Katherines Mutter.
»Gut.«
»Magst du deine Lehrerinnen?«
»Ja, sehr«, was natürlich so nicht stimmt, aber dann auch wieder fast.
»Freust du dich auf den Sommer?«
»Wahnsinnig.«
»Verreist ihr?« fragte sie, gab sich aber gleich selbst die Antwort, bevor ich noch etwas sagen konnte: »Wohl nicht, nein.« Das war's dann für den Rest des Abends an Konversation. Es war, als hätte sie ihre Pflicht erfüllt und könnte sich jetzt wieder der wirklichen Welt zuwenden.
Katherines Vater kam um acht heim. Von Katherine weiß ich, daß er immer bis spät arbeitet. Und daß es von ihr aus noch etwas später werden dürfte. Er sah mich zwar an, als er hereinkam, sagte aber kein Wort, sondern ging einfach in die Küche. Katherine und ihre Mutter wurden noch angespannter, als er da war. Bald gingen wir auf ihr Zimmer und machten die Tür hinter uns zu. »Ich würde ja gerne abschließen, aber sie funktioniert nicht richtig«, sagte Katherine, als sie sich auf ihr Bett legte und seufzte, als wolle sie gleich losheulen.
»Was ist jetzt los?« fragte ich.
»Nichts.« Damit gab ich mich zufrieden, weil ich ja weiß, daß man aus ihr nichts herausfragen kann. Katherine warf ihre Anlage an, aber nur sehr leise. Ihr Vater haßt jede Art von Lärm, also verwandeln sich Katherine und ihre Mutter in zwei lautlose Geschöpfe, wenn er im selben Raum mit ihnen ist. Man könnte eine Nadel fallen hören! Der nervöseste Haufen, der mir je untergekommen ist.
Wir saßen also auf ihrem Bett und blätterten ältere Ausgaben von Seventeen durch. »Würdest du so was anziehen?« fragte mich Katherine alle naselang. Dabei zeigte sie mir jedesmal irgendeine Tussi ohne Bikini-Oberteil oder mit Lederstrapsen oder silbernem Augen-Make-up. »Niemals, nicht in tausend Jahren. Du etwa?«
»Vielleicht.«
»Umblättern!«
»Wann zieht ihr wieder zurück?«
»Was weiß ich. Hoffentlich sehr bald.«
»Geht es bei euch oben wirklich wie in den Slums zu?«
»Komm, glaub das doch nicht. Besuch uns und schau's dir selber an.«
»Ich sagte doch schon, die lassen mich nicht.«
»Heimlich nach der Schule.«
»Du hörst dich wie Lori an.«
»Stimmt nicht.«
»Tust du wohl, auch wenn du es leugnest. Lori war ein schlechter Einfluß auf uns; da haben sie recht gehabt.«
»Na, dich scheint sie ja nicht beeinflußt zu haben.«
»Aber sie hat es versucht.«
»Na, wie denn?«
»Sie wollte mich überreden, länger wegzubleiben als erlaubt. Ladendiebstahl. Dabei, wenn die mich erwischen, wenn ich etwas Verbotenes tue, dann …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
»Das hat sie bei mir auch andauernd probiert, aber wenn ich ihr gesagt habe, daß das nicht läuft, hat sie gleich wieder Ruhe gegeben.«
»Du bist ohnehin fieser als ich.«
»Und Lori ist doppelt so fies wie wir beide zusammen«, lachte ich.
»So war sie wohl, aber du kannst ihr schon das Wasser reichen.«
»Von wegen«, sagte ich und fing an, mit ihr zu raufen. Da wurde sie plötzlich wieder so fahrig und nervös, dabei machten wir überhaupt keinen Lärm.
»Hör auf, bitte hör auf.« In
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