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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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sie schlagen. Waren wir froh, aus diesem Bus entkommen zu sein. Wir steigen in den Querstraßenbus um, der auch zehn Minuten brauchte, bis er endlich kam, dann durch den ganzen Park und hinunter zur 86. Straße im Kriechtempo fuhr, bis wir schließlich an unserer Haltestelle aussteigen und zur Brearly hasten konnten. Völlig umsonst, versteht sich, weil wir eh schon eine halbe Stunde zu spät dran waren.
    Wir mußten ins Büro zur Cutler, um eine Entschuldigung fürs Klassenbuch zu bekommen. Sie verpaßte uns keinen ernstlichen Anschiß, aber forderte uns auf, gefälligst eine halbe Stunde früher das Haus zu verlassen, wenn unsere Anreise jetzt so langwierig sei. Leider fahre keiner der schuleigenen Busse so weit in den Norden der Stadt, sonst würden sie wenigstens Boob abholen, sagte sie noch. Und ich dürfte demnach den ganzen Weg trotzdem auf die Art zurücklegen, wie wir es jetzt täglich tun müssen: selbst dann kein Extraschlaf für mich. Super! Wenn die Busse weiterhin so pünktlich kommen wie heute früh, dann muß ich demnächst aufstehen, bevor ich zu Bett gehe. Die Cutler führte sich ohnehin irgendwie psychotisch auf heute morgen bei unserem Gespräch, starrte uns an, als würden wir sie jeden Moment beißen oder so was. »Ist etwas nicht in Ordnung?« wollte ich noch wissen, bevor wir ihr Büro verließen. »Was soll das heißen?« belferte sie. »Nichts.« Es war die Art, mit der sie uns betrachtete, so als wären wir Dreck oder was. Mir fiel keine Möglichkeit ein, das so zu formulieren, daß ihr nicht die Sicherungen durchgebrannt wären, also ließ ich es auf sich beruhen. Vielleicht findet sie ja, ich werde mit einem Mal zu Lori-esk für ihren Geschmack.
    Ja, Lori: Hoffentlich geht es ihr gut. Ich vermisse sie sehr. Noch hat keine von uns etwas gehört, also wird sie noch in dieser Behandlung sein.
    Heute abend fragte ich Pappi, warum er morgens so früh weggehe, wo er doch die zwar schreckliche, aber um so vieles schnellere U-Bahn nimmt. Er antwortete, daß Herr Mossbacher sehr streng sei, was die Pünktlichkeit seiner Angestellten betrifft. Er sei schlimmer als die Cutler, witzelte Pappi weiter. Wer fünf Minuten zu spät komme, verliert einen vollen Stundenlohn. Da sei kein Unterschied für Mossbacher zwischen einem Angestellten wie ihm und Gelegenheitsarbeitern. Er sage immer, da man wisse, wann man im Laden zu sein hat, könne es keine echte Entschuldigung für eine Verspätung geben, egal was passiert ist. »Bist du nicht immer viel zu früh im Geschäft?« So könne er eine Menge Arbeit erledigen, bevor der Laden aufmacht, knirschte Pappi. Wenn Pappi über Herrn Mossbacher redet, dann hört er sich an, als ob er ihn schlagen wollte.
    Zum Mittagessen traf ich mich mit Katherine. Gute Neuigkeiten: Ihre Eltern haben erlaubt, daß ich bei ihr übernachten darf. Wir verabredeten gleich einen ersten Versuch am Freitag. Erst muß sie aber nochmals bei ihren Eltern nachfragen, damit wir uns auch darauf verlassen können. Du kannst dich gleich darauf einstellen, Anne, daß ich dir nicht schreiben werde, wenn ich bei Katherine bleibe. Mein Pappi und meine Mama haben gleich zugestimmt, als ich sie um Erlaubnis fragte.
    Mama hat heute wieder Manuskripte bekommen, aber nur ein paar. Sie sagt, sie seien recht kurz, bloß Arbeit für ein paar Stunden. Und da sie nach Stunden bezahlt wird, sei das nicht so toll. »Aber, Schnuckel, ich werde versuchen, so langsam wie möglich zu lesen, um den Verlag ein klein wenig zu betrügeschnügeln.« Das erste hat sie aber bereits vor dem Schlafengehen fertig gehabt, also kommt wohl nicht viel heraus beim ›Schnügeln‹.
    Nur falls du dich fragst: Ja, der Weg heim am Nachmittag kostet uns ebenso viel Zeit wie in der Früh. Morgen probiere ich einmal aus, ob und wie weit Boob nach der Schule zu Fuß gehen mag. Vielleicht kommen wir ja durch den Park und nehmen dann erst den Bus. Aber wahrscheinlich wird sie mir vorher ohnmächtig, oder es fängt an zu regnen. Daß etwas dazwischenkommt, scheint mir sicher.
    So, mir fällt nichts mehr ein, Anne. Müde und verspannt wie ich bin, werde ich trotzdem nicht schlafen können. Es ist so verflixt laut hier, und ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Gestern nacht brüllten sie geschlagene zehn Minuten auf der Straße vor meinem Fenster herum, dann splitterte Glas, dann erst verstummten die Schreie.
     

31. März
    Die Rote Armee marschiert schon wieder! Die gestrigen Schmerzen habe ich weggeschoben, weil ich dachte, es sei

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