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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Federn in der Luft, als ob wir eine Kissenschlacht gemacht hätten. Boob versteckte sich hinter Mama, deutete auf das Kopfkissen und rief noch einmal: »Schaut!« Im Kissen war ein Loch. Ich ging hin und drehte das Kissen um. Dort sahen wir ein noch größeres Loch und noch eins in der Wand hinter dem Bett. Auch im Fenster war ein Loch, das Glas war zersprungen. Jemand hat in unser Schlafzimmer geschossen, Anne! »Gott, nein!« rief Mama und drückte Boob so fest an sich, daß sie das Mädchen fast zerquetscht hätte. Wäre Boob auf dem Bett gelegen, wie sie es in letzter Zeit ja fast ständig getan hat, wäre sie glatt durch den Kopf geschossen worden.
    Ich ging zum Fenster und sah hinaus, um herauszufinden, von wo aus wohl geschossen worden ist. Auf der anderen Straßenseite ist das Grant Gebäude, davor die Hochbahngleise. Also stand der Schütze entweder im Grant oder er war zwischen den Zügen schnell auf die Gleise geklettert. »Liebes, den Kopf weg, vielleicht schießen sie noch mal!« rief Mama mir zu, und ich duckte mich schnell, kam wieder zu Verstand. Kaum zu glauben, wie hirntot ich mich da verhalten habe! Ich krabbelte auf dem Fußboden durch die Zimmertür und zurück in den Flur. Mama umklammerte immer noch Boob. Zusammen gingen wir ins Wohnzimmer, das auf den Tiemann Place hinausgeht. Mama versuchte Pappi anzurufen, aber Herr Mossbacher ließ nicht nur Pappi nicht ans Telefon holen, selbst als Mama geschildert hat, was vorgefallen ist, sondern brüllte sie auch noch an, sie solle nie wieder einen seiner Angestellten während der Arbeit anzurufen versuchen, aus welchem Grund auch immer.
    Mama wollte, daß wir heute nacht alle zusammen im Elternschlafzimmer schlafen. Mir war aber nicht danach, also legte ich mich ins Wohnzimmer, wo ich jetzt gerade bin. Es blieb bei diesem einen Schuß, Anne. Ich versuchte Iz anzurufen und ihr die Sache zu schildern, aber niemand ging ran. Jude scheint Weez noch nicht gefunden zu haben. Ich bin mir sicher, daß Weez durch unser Fenster geschossen hat, Anne, es kann gar nicht anders sein. Sie will mich immer noch umbringen, und da sie jetzt Judes Gewehr hat, kann sie das auch. Irgend etwas muß ich unternehmen, Anne, hab aber keine Ahnung, was.
     

13. Mai
    Mama erzählte, Pappi sei an die Decke gegangen, als sie ihm berichtete, was Herr Mossbacher ihr bei ihrem Anruf an den Kopf geworfen hat. »Engel, ich habe ihm klipp und klar gesagt, daß er den blöden Job bei diesem Irren kündigen muß, in was für Schwierigkeiten uns das auch immer bringen mag.«
    »Und seine Antwort?«
    »Das habe er auch vor.«
    »Und von was sollen wir leben?«
    »Was weiß ich, meine Liebe. Aber irgendwie geht es immer. Die kleine Boob oder du hätten ermordet werden können, und der Kerl holt Pappi nicht einmal ans Telefon. Das gehört sich nicht, gehört sich einfach nicht!« Sie sagte, Pappi würde heute seine Kündigung einreichen, Kündigungsfrist 14 Tage. Mal sehen.
    Chrissie hat angerufen. Sie und ihr trotteliger Alan sind in die Berge gezogen, wo sie von Gewehren und elektrischen Sicherheitszäunen bewacht werden, die wahrscheinlich auch die ganze Zeit »Warnung! Warnung!« plärren, bis man halb durchdreht. Aus irgendeinem Grund hat Mama ihr erzählt, was in der Nacht passiert ist und sich damit ganz schön was eingebrockt. Chrissie habe sie darauf hingewiesen, erzählte Mama später, daß sie niemandem außer sich selbst die Schuld geben muß, falls wir in unseren Betten gemeuchelt würden, weil sie ja darauf bestehe, daß wir immer noch von ›solchen Leuten‹ umgeben seien. Iz gehört zu ›solchen Leuten‹, und ich liebe Iz; sie ist meine beste Freundin. Nie würde ich aus New York weggehen, Anne. Sonst hat Mama nichts mehr herausgerückt, obwohl sie nach dem Telefonat sehr aufgewühlt schien. Als ich sie etwas aufheitern wollte, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und sagte: »Ach Engelchen, ich weiß, du machst dir Sorgen, aber laß mich jetzt einfach in Ruhe. Ich komme gerade mit gar nichts mehr klar.« Also habe ich aufgehört, sie aufzumuntern.
    Heute früh versteckte sich Boob die ganze Zeit, die wir auf den Bus warten mußten, hinter meinem Rücken. Sie glaubt, wir würden jeden Moment wieder beschossen. Ich habe ihr nicht erzählt, daß der Schütze wahrscheinlich jemand ist, den ich kenne. Boob hält eh schon nicht mehr allzu viel von mir. Im Bus fing Boob dann zu heulen an und hörte nicht auf, bis wir an der 86. umstiegen.
    Wo ist bloß Iz? Keiner geht bei ihr

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