Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
sich Iz. Er legte ihr die Hand über den Mund, mit dem anderen Arm umklammerte er sie. Iz ließ ihre Kette fallen. Ohne Nachzudenken holte ich mit meinem Knüppel aus und drosch ihn auf den Kopf. Mein Stock zerbrach dabei und machte ein klatschendes Geräusch auf seinem Kopf, so als ließe man eine Wassermelone fallen. Der Kerl ging stöhnend zu Boden; ich griff nach Iz' Hand und zog sie in den fließenden Verkehr. Wir sprangen zwischen den heranbrausenden Autos hin und her, die noch schneller zu werden schienen. Bevor wir die andere Seite erreichen, hätte uns fast ein illegales Taxi umgemäht, bremste aber noch in letzter Sekunde. Ich drosch mit dem Stummel meines Knüppels auf seine Motorhaube, dann rannten wir weiter, bis wir schließlich Jude eingeholt hatten. Danach ging es weiter, Querstraße um Querstraße um Querstraße, bis wir endlich am Broadway waren.
    Dort konnten wir uns dann nicht setzen und uns ausruhen, nicht, weil kein Platz gewesen wäre, weil wir uns gerne auch auf den Randstein gesetzt hätten, sondern weil die Soldaten niemanden herumlungern ließen. Also gingen wir den Broadway hinunter und rangen nach Atem. Langsam wurde es dunkel, und ich war heilfroh, nicht mehr in der Grube zu sein. Unvorstellbar, wie es da in der Nacht zugehen muß. »Und wie is der Plan?« fragte Iz Jude.
    »Inwood.«
    »Wie willste da hinkommen?« fragte ich in dem Moment, als die U-Bahn auf dem Hochgleis vorbeikreischte. Jude lachte und rief: »Diese Grünarschlöcher! Beschwern sich, daß Lückn innen Kontrollen sind, dabei lassn sie die U-Bahn fahrn.«
    »Du weißt also, wo Weez abhängt?«
    »So schauts aus.«
    »Gefährlich da oben?«
    »Nichts gegen heut nachmittag.«
    »Brauchst Hilfe?« Iz. Jude schüttelte den Kopf.
    »Is ne Solosache.«
    »Verstehe.« Iz.
    An der 125. stieg Jude zur U-Bahn hoch. Wir winkten ihr wortlos hinterher. »Es passiert ihr doch nichts, oder?«
    »Uns allen kann ständig was passiern.«
    »Und wie gehts dir?«
    »O, Lola, genau: danke fürs Einspringen.«
    »Halb so wild.«
    »Scheiße, halt bloß die Klappe«, sagte Iz und umarmte mich. Gerne wäre ich jetzt nach Hause gegangen, Anne, aber ich konnte mich auch nicht von ihr trennen. Ich war so froh, daß wir in Sicherheit waren. »Magst nächstes Wochenende bei uns pennen? Wir müssen aber das Zimmer mit meiner Schwester teilen.«
    »Isse Bettnässerin?«
    »Natürlich nicht!« Seit sie fünf ist, hat Boob das nicht mehr getan.
    »Dann solls mir recht sein.«
    Untergehakt spazierten wir zum Tiemann Place und redeten über das, was wir in der Grube zu sehen bekommen hatten. »Ich war ja auch noch nie drin zuvor«, gab Iz zu.
    »Noch nie?«
    »Na, am Rand, da wo der Markt anfängt, aber noch nie so richtig tief drinnen. Hatte meine Hose so voll wie du, schätz ich.«
    »Da gehen wir nie wieder hin.«
    »Ich brauch aber wieder ne neue Kette.« Wir mußten beide lachen.
    Iz versprach mich anzurufen, ob und wann Jude Weezie aufgetrieben hat. Bis jetzt Funkstille, aber das wundert mich nicht. Wie auch immer, das ist der Stand, Anne. Gutnacht.
     

11. Mai
    Heute fühlte ich mich plötzlich schlecht wegen des Kerls, daß ich ihn geschlagen habe und wie ich ihn geschlagen habe, als er aus seinem Versteck sprang und Iz packte. Anne, was ist bloß los mit mir? Warum ist mir bisher so was gar nicht in den Sinn gekommen? Klar, er hätte ihr weh tun können, und wenn ich zurückdenke, würde ich es wieder tun, wenn ich müßte. Aber warum hat es so lange gedauert, bis mich der Gedanke daran quält? Es ist ja nicht so, daß das kein Mensch gewesen wäre. Ich hätte ihn töten können, und es hat bis heute gedauert, daß es mir etwas ausmacht. Ständig höre ich das Geräusch, das sein Kopf machte, als ich ihn schlug. Das wars schon. Mußte das nur aufs Papier bringen, um sehen zu können, wie es um mich steht.
     

12. Mai
    Hier nimmt das Böse überhand, Anne! Der Wahnsinn und die Gewalt kommen wie ein Bumerang zurück.
    Als Mama, Boob und ich heute abend in der Küche fernsahen, hörten wir ein komisches Geräusch in unserem Zimmer. Es hörte sich nicht sonderlich bedrohlich an, darum sprang Boob auf und ging nachsehen. Wir waren so froh, daß sie in letzter Zeit nicht mehr andauernd im Kinderzimmer hockt. Und heute waren wir besonders froh; du wirst es nicht glauben!
    Boob ging also nachsehen und kam schreiend zurückgelaufen: »Schaut! Schaut selber!« Mama und ich standen auf und folgten ihr über den Flur in unser Zimmer. Überall flogen

Weitere Kostenlose Bücher