Ambient 03 - Ambient
und Staat.
Zu diesem Gesetzespaket gehörten einige nützliche Neuerungen, das muß ich zugeben, besonders diejenigen, die mit Grundbesitz zu tun haben. Aber dann fingen sie an, mir alle möglichen Scherereien zu machen und gegen meine Einkommensquellen einzuschreiten. Sie waren verdammt kratzbürstig, wenn es darauf ankam.
Nach der neuen Gesetzgebung war das Wahlrecht auf diejenigen beschränkt, die einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehörten. Für kurze Zeit wurden sogar Scheidung und Wiederverehelichung für illegal erklärt. Die Gerichtshöfe erstickten in der Flut der Verfahren. Die Strafgesetze wurden erheblich verschärft. Tageskindergärten wurden geschlossen und für ungesetzlich erklärt, weil sie zur Auflösung der Familie beitrügen. Man schaffte die Sozialversicherung ab; denn einerseits bewirkte sie, daß die Bürger letztendlich auf den Staat vertrauten, und nicht auf Gott, und zweitens wurden durch die Abschaffung große Geldmittel für neue militärische Vorhaben verfügbar, die von der Regierung ins Auge gefaßt worden waren. Problemgebiete wie New York wurden der besonderen Aufmerksamkeit durch die Gottesstreiter anheimgegeben.
Die neue Bewegung nahm Formen an, die bis zur Lächerlichkeit reichten. Man konnte nicht die Straße entlanggehen, ohne von Banden hirnloser Fanatiker belästigt zu werden, die einem Traktate in die Hand drückten. Dann wurden sie noch schlimmer, ich meine, diese Plakate …«
Die Gläubigen begannen die Gottesfurcht jenen einzubauen, die nicht hören wollten. Die Heiden reagierten in gleicher Weise. Als der Glaubenskrieg eskalierte, verschwanden alle Proportionen. Militante Gruppen von Fundamentalisten drangen in Banken ein und hackten den Geldverleihern die Hände ab. Heiden fingen Christen ein und nagelten sie als neue Märtyrer an Bäume im Central Park.
»Es wurde unmöglich, in normaler Weise Geschäfte zu betreiben«, sagte der Alte Mann. »Also steckte ich ein paar von meinen Leuten in die Regierung, um daran zu arbeiten. Erfuhr von diesen Q-Dokumenten. Charly sah inzwischen, was dieser ganze Scheiß im Wirtschaftsleben anrichtete, aber er konnte die Leute nicht dazu bringen, den Mund zu halten und auf die Stimme der Vernunft zu hören, außer solche wie mich, natürlich, und wir hatten bereits erkannt, wohin die Reise ging.«
Theologische Debatten hatten während dieser anderthalb Jahre das öffentliche Leben bis zum Ausschluß alles anderen beherrscht. Amerika hatte Militärberater in fünf verschiedenen Kriegen – in jenen Tagen war es ungewöhnlich gewesen, daß die Regierung mehr als die Hälfte ihres Haushalts für Verteidigungsausgaben bereitstellte –, niemand hatte sich darum gekümmert, die Steuern zu erhöhen, und das Defizit hatte sich in zehn Monaten verdoppelt. Die Gewinne aus der Abschaffung der Sozialversicherung wurden von den Zinsen aufgezehrt, die für Kredite zum Ausgleich des Haushalts bezahlt werden mußten.
»Also sagte ich ihm, entweder läßt du diese Geschichten veröffentlichen, oder du kannst dich auf einen neuen Bürgerkrieg gefaßt machen. Endlich fing Charly an, die Dinge aus meiner Sicht zu sehen, und so wurden die Q-Dokumente zur Veröffentlichung freigegeben. Danach beruhigten sich die Verhältnisse sehr bald, jedenfalls für ein paar Monate. Ich glaube heute noch, daß E vielleicht durch mich daran gewirkt hat«, sagte der Alte Mann mit einer Spur von Wehmut in der Stimme.
Ich legte die Akte zurück und blätterte andere durch.
»Woher haben Sie all dies Material?« fragte ich, erstaunt über die Menge wie auch den Inhalt der Dokumente.
»Am Abend vor dem Zusammenbruch des Marktes war ich unten in Washington und sagte Charly, was dagegen zu tun sei. Er tat einiges davon. Ein Dummkopf, wie er im Buche steht.«
»In gewissem Sinne«, sagte der Alte Mann. »Nachdem er versucht hatte, die Stadt zu verlassen.«
Während der Christlichen Periode waren die Preise aus einer Vielzahl von Gründen, die niemand vollkommen verstand, immer schneller gestiegen; die Handelsbilanz war völlig aus dem Lot geraten. Importe hatten die Märkte zu immer höheren Kosten für die Käufer überflutet. Unternehmen waren innerhalb von Monaten zahlungsunfähig geworden, nur weil sie versucht hatten, die Löhne und Gehälter ihrer Beschäftigten den unaufhaltsam steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen. Die Arbeitslosigkeit hatte fünfzehn Prozent erreicht, bei weiter steigender Tendenz.
»Ich hatte ein paar Dinge regeln wollen, bevor
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