Ambient 03 - Ambient
des Hauses in Chicago, wo Martin Bormann gestorben war, und eine rauhe Steinkugel. Sie war eine aufgebrochene Druse; zog man die Hälften auseinander, sah man einen glänzenden Stahlnagel eingebettet in die Amethystkristalle, als ob die Gottheit ihn zufällig hätte fallen lassen, als sie am Beginn der Zeit die Elemente geschaffen hatte.
»Was für ein Gerümpel«, sagte ich, schloß die Schublade, zog eine andere auf und nahm etwas heraus.
»Unbequemes Gerümpel, zumindest«, sagte der Alte Mann gähnend. »Beunruhigte einige Leute.«
Ich war auf eine Akte mit der Aufschrift LONG ISLAND gestoßen, schlug sie auf und las darin.
»Sie machen so ein Gesicht, O'Malley«, hörte ich ihn nach mehreren Minuten sagen. »Da müssen Sie eine von den guten gefunden haben.«
Es war ein ausführlicher Bericht von der Abteilung Chemie-Waffen im Pentagon. Ein einleitender Text behandelte den Unfall selbst und wie leicht er hätte vermieden werden können; anschließend wurde beschrieben, wie durch Rekombinationstechniken die Antistrahlungspillen entwickelt worden waren – wie man vor ihrer Ausgabe entdeckt hatte, daß unberechenbare Nebenwirkungen mit Sicherheit zu erwarten waren. Es war entschieden worden, die Pillen dennoch regional auszugeben, um festzustellen, welcher Art die Nebenwirkungen sein würden, damit sich auf der Grundlage des Untersuchungsergebnisses klären ließe, ob im Ernstfall eine Abgabe an die kämpfende Truppe zweckmäßig sein würde.
»Und deshalb wurden all die Abnormitäten geboren«, sagte der Alte Mann lachend und schlug mir auf den Rücken. Während ich die Berichte durchgeblättert hatte, war er von hinten herangetreten und hatte über meine Schulter hinweg mitgelesen.
»Ist es hier drinnen?« sagte ich und legte die Akte zurück.
»Nicht mehr«, sagte er lächelnd. »Schon lange nicht mehr.«
»Also sind Sie der einzige, der weiß, was es ist?«
»Nun ja«, sagte er, und sein Lächeln nahm einen schadenfrohen Ausdruck an, »bis vor ein paar Minuten hätte ich das bejaht.«
Den Wunsch zu verspüren, daß entweder die Welt oder man selbst enden möge, und daß es nicht darauf ankommen würde, was von beiden eintreten würde, solange es bald geschähe – das ist ein Gefühl, das ich für meine Person nur ungern zugebe. Selbst in den schlimmsten Zeiten hatte ich es sehr viel besser gehabt als so viele. Mein Los auf mich zu nehmen und zufrieden zu sein, hätte mir genügen sollen, aber es genügte nicht, und ich weiß nicht, ob ich jemals herausfinden werde, warum nicht. Wenn eine Wahl getroffen worden ist, muß man damit leben; wenn eine Wahlmöglichkeit bleibt, sollte man von ihr Gebrauch machen. Mit dieser Devise habe ich mich oft durchgeschlängelt. Jetzt aber war ich beinahe bereit, mich damit abzufinden, daß meine Wahlmöglichkeiten für mich entschieden wurden.
»Es ist eine böse, böse Sache, O'Malley«, sagte der Alte Mann und schloß die Schublade. »Sie wollen nichts damit zu tun haben.«
Und ich wollte doch …
»Die Tatsache bleibt, O'Malley, daß Sie eine Menge getan haben, um mir aus dieser mißlichen Lage herauszuhelfen, aber wir werden noch einige lose Fäden verknüpfen müssen, bevor alles wieder ins Lot kommt. Ich muß allerdings zugeben, daß Sie mich meines Erachtens in einem Punkt belogen haben, und das beruhigt mich ein bißchen.«
»Sie wollen das Risiko eingehen, daß ich lüge?«
»Das sagte ich nicht«, erwiderte er. Jimmy kam zu uns herüber; ich sah ihn nur aus den Augenwinkeln an. »Es gibt vieles, was ich mir durch den Kopf gehen lassen muß, O'Malley. Es wäre mir wirklich unangenehm, einen wertvollen Arbeiter wie Sie zu verlieren. Wir könnten imstande sein, noch etwas auszuarbeiten.«
»Das hoffe ich sehr«, sagte ich.
»Wir sollten aber in Ruhe darüber nachdenken. Jimmy? Sehen Sie zu, daß O'Malley nicht gestört wird.«
Jimmy handelte rasch, legte mir die Arme um den Hals und riß mich so schnell zurück, daß ich keinen Widerstand leisten konnte, selbst wenn ich es versucht hätte. Ich fühlte den Schmerz erst, als ich wieder aufwachte.
14
B EIM E RWACHEN HATTE ICH DAS G EFÜHL , meine Luftröhre sei zerquetscht. Nachdem ich gehustet und Blut aus tieferen Regionen ausgespuckt hatte, schien das Atmen weniger schmerzhaft zu sein, als hätte die Luftröhre nur einer Begradigung bedurft. Als ich das volle Bewußtsein wiedererlangte, sah ich mich auf einem gebrechlichen Feldbett liegen; meine Füße hingen über das Ende und fühlten sich
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