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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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sabberte.
    »Das ist Johnny«, sagte Alice. »Er wird im August dreizehn. Johnny war neun, als er in unsere Kurse eingeschrieben wurde. Seine Eltern waren als problematisch bekannt; da er intelligent war, wurde er von ihren Exzessen unwiderruflich in den Bann gezogen. Progerie wurde herbeigeführt. An einem Tag altert er einen Monat. In vierzehn Tagen ein Jahr. Seit seiner Ankunft ist er ein Musterkind.«
    Er streckte einen runzligen, bleichen Arm nach mir aus, dünn wie ein Stecken und zitternd.
    »Du scheinst beunruhigt, Seamus«, sagte sie.
    »Was habt ihr mit seinen Eltern gemacht?« fragte ich.
    »Sie sind hier und kümmern sich um ihn. Wie es sich für Eltern gehört.«
    Es war mehr als genug. Ich wandte mich von Alices leerem lauen Bildschirm ab und dem Alten Mann zu.
    »Sie ließen die besten Köpfe jahrelang forschen und gaben wer weiß wieviel Geld für Alices Konstruktion aus, und dann gebrauchen Sie sie für so etwas?«
    Der Alte Mann nickte. »Was gibt es dagegen einzuwenden?«
    »Es ist falsch.«
    Er lachte, ganz offen und frei von Schuldgefühl. »Sie sind mir der Rechte, um Moral zu predigen, O'Malley. In den letzten zwölf Jahren haben Sie Ihre Zeit ausschließlich damit verbracht, jedem den Schädel einzuschlagen, der meinem Sohn nicht gefiel. Kindern, alten Damen, jungen Hunden. Erzählen Sie mir nicht diesen Scheiß!«
    »Was meinst du?« fragte ich Alice. »Du denkst doch.«
    »Seamus«, sagte sie, »ich kann Originalprogramme nicht verändern. Ich kann in dieser Hinsicht nichts als das tun, was zu tun ich programmiert wurde. Was ich lernte, lernte ich von einer Quelle. Was ich von anderen Maschinen lernte, kam aus dieser selben Quelle. Mein Leben ist das Leben jener, die mich bauten. Gib mir die Schuld daran, wenn du willst. Gib der Sonne die Schuld daran, daß sie scheint, dem Wasser, daß es rinnt. Gib dem Schaf die Schuld, daß es geschlachtet wird, dem Spatzen, daß er tot vom Zweig fällt. Ich zeige, was ich sehe, ich enthülle, was ich weiß, ich tue, wie mir gesagt wird. In meinem Tun ist keine Bosheit. Ich hege weder Liebe noch Haß für diejenigen, mit denen ich umgehe. Wen ich berühre, der lebt weiter. Ich kann nicht rückgängig machen, was zu tun mir aufgegeben wurde.« Sie machte eine Pause. »Pflicht ist Pflicht, Seamus, und ich tue immer meine Pflicht.«
    »In Gottes Namen …«
    »Gott?« fragte sie. »Würde Gott mich ohne den Sündenfall des Menschen geschaffen haben? Barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli.«
    »Sprich verständlich, Alice«, sagte der Alte Mann.
    »Ich bin hier ein Barbar«, dolmetschte sie, »denn niemand versteht mich.«
    »Wir haben eine kleine Überraschung für Sie vorbereitet, O'Malley«, sagte der Alte Mann. »Zeig sie ihm, Alice!«
    »Hältst du es für notwendig?«
    »Ja.«
    »In Ordnung«, sagte sie und rief noch einmal George.
    »Drohungen sind keine gute Sache«, sagte der Alte Mann. »Sie machen die Leute aufgeregter als nötig. Ich für meine Person mache keine Drohungen. Ich tue einfach. Nun, die Art und Weise, wie Sie heute nachmittag redeten, brachte mich auf den Gedanken, daß Sie eine oder zwei Drohungen im Sinn haben. Das gefällt mir nicht, O'Malley. Gefällt mir absolut nicht.«
    Wieder blinkte das Licht auf der Tastatur. Eine Tür ging auf; George rollte ein Krankenbett in den Raum. Jemand lag darauf, vom Hals abwärts mit einem reinen weißen Laken zugedeckt.
    »Also ließ ich heute nachmittag, während Sie ohnmächtig waren, ein paar von meinen Jungs losgehen und jemand für mich holen. Sie wissen, wie glatt und reibungslos sie arbeiten können.«
    Enid lag da, den Kopf auf einem weichen Daunenkissen. Die Nägel waren aus ihrer Kopfhaut entfernt, und ihre Augen waren geschlossen, als ob sie tot wäre.
    »Sie leistete ihnen einigen Widerstand. Nicht genug.«
    »Enid!«
    »Gehen Sie hin und begrüßen Sie Ihre Schwester, O'Malley.«
    Als ich zu ihrer stummen Gestalt lief, öffnete sie die Augen und zwinkerte, als ob sie Rauch hineinbekommen hätte. Ich glaube, daß sie meinen Ausruf gehört hatte.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte der Alte Mann. »Sie ist ganz in Ordnung.«
    »Was haben Sie mit ihr gemacht?« stieß ich hervor. »Enid, was haben sie mit dir gemacht? Enid …«
    Sie starrte mich an, als hätten wir uns nie gesehen – oder nur einmal, und das für kurze Zeit und vor vielen Jahren.
    »Seamus?« sagte sie mit leiser, ruhiger Stimme; ich stellte mir vor, daß man sie mit Drogen vollgepumpt hatte, die noch immer ihr

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