Ambient 03 - Ambient
hinübersehen konnte. »Das sagten Sie. Und deshalb taten Sie ihr das an. Wo liegt der Unterschied?«
»Es war keine Drohung«, sagte er. »Eher eine Versicherungspolice, wie ich es sah.«
Es gab keinen Vorsatz, kein Überleben; bevor ich anfing zu denken, hatte ich ihm die Hände um den Hals gelegt. Als ich zudrückte, würgte er ein paar Worte heraus.
»Halt! – Alice, sag ihm …«
»Seamus«, sagte sie, »bevor du in dieser Art und Weise fortfährst, sollte ich dich mit einem letzten Aspekt des bestehenden Systems vertraut machen.«
»Welchem?« fragte ich, ohne meinen Griff zu lockern oder gar loszulassen.
»Als ich programmiert wurde, den Ort zu entdecken, wo der Signalgeber verborgen war«, sagte sie, »wurde mir ein weiteres Erfordernis eingegeben.«
»Welches?«
»Daß ich, sobald das Gerät gefunden und in Sicherheit gebracht wäre, und sobald er Nachricht bekäme, wo er zu finden sei, eine seine Gesundheit betreffende Anweisung in Kraft setzen sollte.«
»Seine Gesundheit?« sagte ich und ließ meine Hände auf seine Schultern sinken. Er keuchte angestrengt. »Wieso?«
»Als Alice gebaut wurde«, sagte er schnaufend, »ließ ich mir einen Sender einpflanzen. Sie kann seine Signale empfangen, wo ich auch bin. Sie weiß, was geschieht, sollte ich sterben. Sie kann die Adrenalinwerte lesen, den Blutdruck, die Gehirnaktivität. Sie wird sofort unterrichtet sein, sollte ich von jemandem getötet werden. Und für den Fall, daß das geschieht, hat sie Anweisung, den Signalgeber auszulösen. Unauslöschbare Anweisung.«
Jeder Winkel war gedeckt, dem war nicht auszuweichen. Unter diesen Umständen war natürlich leicht zu verstehen, daß er immer in großem Umfang tun konnte, was er wollte; eine derartige Regelung stellte sicherlich eine Vereinfachung dar. Als ich ihn ansah, hatte ich keine Gewißheit, welche Stimmung mein Gesicht ausdrückte.
»Susie drohte mir immer, verdammt noch mal«, sagte er. »Auf diese Weise sorgte ich dafür, daß sie nicht in der Lage war, ihre Drohungen wahr zu machen. Das wurmte sie, kann ich Ihnen sagen.«
Für den Fall, daß ich ihn vielleicht schon allzusehr erschreckt hatte, ließ ich ganz von ihm ab.
»Als Alice es gefunden hatte, verriet ich Susie nicht, wo das gottverdammte Ding war. Aber dann, in der letzten Zeit, fing sie an, nachts in mein Zimmer zu schleichen, um zu belauschen, was ich vielleicht im Schlaf sagen könnte. Sie sagte mir ganz offen, daß ich es eines Tages ausplaudern würde, und dann wollte sie es dem Jungen sagen.«
»Darum töteten Sie Ihre Frau?«
»Ich wollte kein Risiko eingehen«, sagte er. »Sie war furchtbar jähzornig. Wenn sie in Wut geriet, war sie zu allem fähig. Und es war eine Sache, von der mein Sohn nichts wissen sollte. Niemand sollte davon wissen. Es ist eine schlimme, schlimme Sache. Das Wissen darum macht sie nicht besser.«
»Sie haben gehörig davon profitiert.«
»Ach was«, seufzte er. »Ich hätte mit viel weniger zurechtkommen können. Hatte bloß nie die Gelegenheit.«
Manchmal sind Worte nicht genug, um auszudrücken, was gesagt werden sollte. Ich stand auf und ging zu dem Krankenbett, auf dem Enid lag. Sie schlief, ruhig und still.
»Und was nun?« fragte ich. »Müssen Sie mich auch umbringen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich denke, Alice kann etwas ausarbeiten. Eine Art selektiver Lobotomie.«
»Lieber wäre ich tot.«
»Ich meine keine ausgewachsene Lobotomie«, sagte er. »Wie es scheint, ist sie in der Lage, einfach das herauszunehmen, was Sie über diese Geschichte wissen. Sie hat sich in den letzten Monaten gerade auf diesem Gebiet verbessert. Sie wird es einfach so machen, daß Sie sich nicht daran erinnern werden und keine boshaften Geschichten erzählen können.«
»Würde ich nicht tun.«
Diese Vorstellung schien seinem Verstand so abenteuerlich, daß sie nicht einmal in die Oberfläche eindrang. »Wir werden Sie verarzten und ihrer Wege gehen lassen. Ich könnte mir denken, daß Ihre Schwester Ihnen viel Arbeit machen wird, wenn die Jahre vergehen. Wollen Sie …?«
»Danke, ich werde sie mit mir nehmen.«
Er zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen. Ich werde Ihnen etwas Geld geben …«
»Lieber würde ich mir die Kehle durchschneiden lassen.«
Er starrte mich ungläubig an. »Was haben Ihnen Prinzipien je genützt, O'Malley? Können Sie mir das beantworten?«
»Nein«, sagte ich in der Gewißheit, daß er nicht verstehen würde, selbst wenn ich es ihm sagen könnte. »Sie werden
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