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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Ruhestand geht und nach Havanna zurückkehrt. Ich sagte ihm, Manhattan wird eines Tages ein gutes Aquarium abgeben, aber mein Geld geht in die Bronx. Sicher, hoch und trocken. Die Scheißyankees denken immer, sie können dich für blöd verkaufen.«
    »Ich höre dich«, sagte Carlisle, der selber einer war. Er stammte aus White Plains.
    »Nichts zu machen«, grollte der Alte Mann. »Niemand legt mich aufs Kreuz.«
    Der Alte Mann war größer als sein Sohn, langknochig und drahtig; gekleidet war er im Stil des alten Geldes: Turnschuhe, Jeans und Polohemd ohne Aufschrift. Oft trug er eine von diesen grünen chinesischen Schirmmützen; an seiner war der rote Stern durch die Plakette mit dem grinsenden Gesicht ersetzt. Er kämmte sein weißes Haar zu einem strengen Pferdeschwanz zurück. Der Alte Mann war in Nord-Carolina in eine Familie hineingeboren worden, die für nichts sonderlich bekannt war, behauptete er. Im Laufe der Jahre hatte er seinen Namen geändert, um sich der jeweiligen Situation seines Aufstiegs anzupassen, und war endlich bei Thatcher Dryden Senior geblieben, nicht lange vor der Ebbe. Niemand erinnerte sich seines ursprünglichen Namens, er am allerwenigsten.
    »Fünf Uhr«, sagte er mit einem Blick auf seine alte Timex, »dann wollen wir mal.«
    Viele Freunde des Alten Mannes waren an diesem Nachmittag mit ihren Frauen oder Proxies erschienen, um ihm zu helfen, den zehnten Geburtstag seines Enkels zu feiern; Mister Dryden vertraute mir an, daß sie am Abend alle ausgeflogen würden. Da war Carlisle; Turnbull, der in Munition machte, Willetson, der sich auf Industrieroboter und Instandsetzungen spezialisiert hatte. Ferner McIntosh (Kohle), Samuelson (Automobile), Parker (Computer) und zwölf weitere, allesamt frühere Unternehmer, die jetzt in stabileren Industriezweigen als jenen tätig waren, in denen sie früher aktiv gewesen waren. Die meisten von ihnen hatten mit den Jahren auch ihren Namen geändert, aus verschiedenen Gründen.
    Die vier Hauswächter – Barney, Biff, Butch und Scooter – kamen mit uns. Wir gingen zur Kapelle, einem kleinen Gebäude, das mit einer barockisierenden Zentralkuppel prunkte. Sie war aus italienischem rosa Marmor erbaut, der, wie ich argwöhnte, von einem römischen Bordell aus Mussolinis Tagen übriggeblieben war. Die Kapelle stand ungefähr dreihundert Meter vom Herrenhaus entfernt. Wir passierten die Garage, in der dreißig Wagen standen. Jimmy war drinnen und arbeitete an unserem Castrolite. Die meisten Wagen waren von Gorki-Detroit: Redstars, Lenins, Zils, Marx deVilles. Er besaß auch mehrere Veteranen: einen Oldsmobile Rocket 88, einen schwarzen 49er Mercury, einen 57er Chevy mit Flammenmuster auf der Kühlerhaube, einen gelben und purpurnen Hudson Hornet und einen schönen grünen Cadillac, von dem er behauptete, er habe einst Jerry Lewis gehört.
    Wir folgten Barney und Scooter; die beiden Dryden gingen vor Avalon und mir. Der jüngste Dryden und seine Mutter – Abtrünnige – blieben zu Hause. Ein patrouillierender Hubschrauber kam im Schrägflug über die Baumwipfel geknattert; Mützen flogen von den Köpfen, und ihre Träger sprangen ihnen nach. Während des Durcheinanders nahm Avalon mich bei der Hand. Ihre Brüste schaukelten unter dem Pullover; das lange braune Haar ihrer Perücke wehte ihm Wind.
    »Wie fühlst du dich?« fragte sie.
    »Gedrückt«, sagte ich. »Auf der Herfahrt waren alle so still.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Kam mir selbst wie in einem Sarg auf Rädern vor. Aber was hätte ich sagen sollen?«
    »Besser nicht, mit Jimmy …«
    »Was ist mit Jimmy?«
    »Mister Dryden ist überzeugt, daß Jimmy uns im Auftrag des Alten Mannes überwacht.«
    »Das ist interessant«, sagte sie.
    »Wieso?«
    »Weil Papa denkt, er überwache ihn im Auftrag des lieben Sohnes. Aber still jetzt, Schamlos, wir sind da.« Sie ließ meine Hand los; die Berührung ihrer Haut wärmte noch immer meine Handfläche. Wir traten durch das Portal der Kapelle. Der Geistliche begrüßte uns, glanzvoll in seinem goldenen Flitteranzug, in dem er an die Heiligenfiguren gemahnte, die manche Leute an den Armaturenbrettern ihrer Wagen befestigten. Avalon saß zwischen Vater und Sohn; ich saß hinter ihnen. Die anderen schoben sich unbeholfen in die Kirchenbänke. Die Kapelle hatte lachsrosa getünchte Stuckwände mit goldenen Ornamenten und dunkler Eichentäfelung im unteren Bereich. Das Innere blieb im Halbdunkel – wenig Sonnenlicht drang durch die abstrakten Muster

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