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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Gottesdienst?«
    »Du kennst Vater«, sagte er.
    Stadtmitte und Times Square und die Clinton-Zwielichtzone waren, wie sie immer waren. Nachdem wir bei der 61. Straße in die Obere Sekundärzone West gekommen waren, wirkte die Umgebung geschäftig und weniger dürftig (die Anhöhe östlich vom Broadway lag hoch genug, um über dem Wasser zu bleiben, glaubte man, und so wurden die Gebäude besser instandgehalten). Bei der 120. Straße begann West Harlem. Diese Zwielichtzone reichte bis zur 181.; dort schloß die Sekundärzone Inwood an – Bourgeoisbeladen wie die Obere Westseite.
    Bei der 119. klopfte mir Jimmy auf den Arm und zeigte über die Kreuzung nach vorn. »Da oben sieht's nach Zoff aus.«
    Zwischen der 120. und der 135. fuhr die U-Bahn oberirdisch auf einer Eisenbrücke. Jugendliche hatten einen Zug zum Entgleisen gebracht. Wahrscheinlich die Teufelsanbeter; sie hatten das Gebiet annektiert, nachdem sie die einheimischen Banden unterworfen hatten. Jimmy und ich nahmen die Ferngläser, um deutlicher zu sehen, was dort herunterkam. Eine Hälfte des Zuges stand noch auf der Brückenkonstruktion, die andere Hälfte hing über die Seite herab. Der Triebwagen lag zerknittert auf der Kreuzung Broadway und 125. Straße. Bandenmitglieder sprangen über die Seiten der Waggons, warfen Mollis hinein und duckten sich, wenn die Explosion erfolgte. Andere rannten durch die noch auf den Schienen stehenden Waggons und begrüßten diejenigen, die nicht entkommen waren.
    »Sehen wie Kakerlaken aus, nicht?« sagte Jimmy. Er schaltete das Radio ein und stellte es auf die Frequenz ein, die für öffentliche Durchsagen im U-Bahn-Betrieb verwendet wurde. Die automatische Bandaufzeichnung wurde abgespielt und sagte: »Ein zweiter Zug ist unmittelbar hinter diesem. Beeilen Sie sich.«
    Armeefahrzeuge gingen in Stellung und beschossen den Zug mit Raketen. Feuer breitete sich aus, hüllte die Waggons ein und schwärzte die bunten Graffiti; bei jeder Explosion wurden Feuerbrände hochgeschleudert wie Funken von einem Kaminscheit. Nur die Notwendigkeit verläßlicher öffentlicher Verkehrsmittel hielt den U-Bahn-Verkehr aufrecht; nur in Manhattan und nur tagsüber. Der Fahrpreis war hoch – fünfundzwanzig Cents –, aber ich bezweifelte, daß noch jemand bezahlte. Ich fuhr nie mit der U-Bahn; man soll das Schicksal nicht herausfordern.
    »Übermäßige Kriegsspielerei. Die Jungs langweilen sich und knallen vor Verdruß herum. Wir nehmen den Henry Hudson Parkway«, sagte Jimmy. »Anschnallen!«
    Wir schnallten uns an und bogen in die 120.; Jimmy schaltete den Elektroschild ein. Wir passierten die Riverside Church und Grants Grabmal, dunkel und demoliert im Nachmittagsdunst. Günstig gelegene, unbewohnte Gebäude wurden von den Armeejungen oft für Schießübungen verwendet.
    Die Fahrt am Flußufer aufwärts verlief ohne Zwischenfälle. Die Bewohner West Harlems benötigten zu dringend Brennstoffe, um mit dem tröstlichen Anblick eines Waldes am Flußufer zu leben, und wo früher einmal die Eichhörnchen kilometerweit von Ast zu Ast hatten springen können, ohne den Erdboden zu berühren, waren aus Bäumen Stümpfe und aus Eichhörnchen Schmorgerichte geworden. Ich erinnerte mich, als Halbwüchsiger Geschichten von Naturfreunden gehört zu haben, die angeblich in dem Park lebten, nachdem sie sich gegen die Zivilisation gewandt hatten, und sich von allem und jedem ernährten, was ihnen in die Hände fiel. Es hieß, sie trügen Umhänge aus geflochtenen Zweigen und Masken aus geschnitzter Baumrinde. Alles erdichtet, eine der Geschichten, die das Ohr des Heranwachsenden allzu bereitwillig aufnimmt – wie die von den blinden Alligatoren, die durch die Finsternis der Abwasserkanäle schwimmen, oder daß man durch Starkstrom getötet wird, wenn man auf den Stromabnehmer der U-Bahn pinkelt, oder daß die meisten Penner haufenweise Geld hatten. Das traf gewiß nicht zu; nur diejenigen, die vor der Ebbe gelebt hatten. Wir fuhren unter den militärgrünen Trägerkonstruktionen der George Washington-Brücke durch, sahen die von den Bogen herabhängenden riesigen Flaggen sich in der Brise blähen, passierten die zerbrochenen Überreste der Schalter zur Erhebung der Straßenbenützungsgebühr, und erreichten den Saw Mill Parkway, der von der Armee bewacht wurde. Mangels Konversation schaltete ich das Radio ein und bekam die Nachrichten. Israelische Siedlungen am Persischen Golf wurden von irakischer Artillerie beschossen. Die Tass berichtete von

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