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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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erreichten.
    »Richtung Norden«, sagte er. »Auf Gummi, wie sich zeigt. Unzweifelhaft in Gesellschaft anderer.«
    »Was ist Oktobrjanas Wort?« fragte ich auf dem Rückweg hinein. Mir fiel auf, wie stark es im Haus nach Moder roch.
    »Unklar«, sagte er; das Morgenlicht zeigte in sein Gesicht geschnittene Runzeln, neue Tränensäcke und hagere Wangen. Ausnahmsweise sah er beinahe so alt aus, wie er war, zehn Jahre jünger als ich. »Fragen wir!«
    »Großer Gott«, sagte Wanda, als sie sah, was wir sahen. Oktobrjana lag auf der Couch, aber ihr Körper hatte sich aufwärts gebogen und beschrieb einen Kreis, so daß ihr Scheitel beinahe die Fersen berührte. Ihre Zähne hatten sich in die Oberlippe gegraben; sie war außerstande, dem Schmerz Ausdruck zu geben; ihre Arme fuchtelten nutzlos zu beiden Seiten ihres selbstgemachten Reifens.
    »Nimm sie bei den Füßen und streck sie aus!« sagte ich. Ich nahm ihren Kopf mit beiden Händen und hielt ihn so sanft wie möglich, während Jake versuchte, sie wieder sofawärts zu ziehen.
    »Sie ist wie Eisen«, schnaufte er. »Wanda, drücken sie ihren Magen abwärts!«
    »Behutsam«, sagte ich. »Nicht zu schnell. Sie könnte zerbrechen.«
    Jake zog, Wanda drückte, ich hielt; langsam und vorsichtig streckten wir sie wieder aus und hielten sie nieder. Blutergüsse fleckten ihre Arme und Knöchel, zeigten sich an ihrem Hals, vermittelten den Eindruck geblümter Muster, die an ihren Beinen aufwärts verliefen. Adrenalin kreiste durch ihren Körper; der Puls raste wie der eines Marathonläufers kurz vor der Ziellinie. Entmutigt bemerkte ich, daß jede feste Berührung neue Blutergüsse erzeugte. Ihre Augenlider flatterten wie Schmetterlingsflügel; als sie sich mühte, Worte hervorzubringen, trat ihr Schaum auf die blutenden Lippen. Dann erhoben sich zwei sirenenartige Winseltöne aus den Tiefen ihrer Lunge, hallten durch das leere Haus, deren Warnung nur von kreatürlicher Qual kündete.
    »Ruhig«, sagte Jake wieder und wieder. »Ruhig. Ruhig, ruhig!«
    »Gott«, flüsterte Wanda, »bitte nimm sie …«
    »Noch nicht«, sagte ich. Als wäre eine Grenze erreicht, irgendwo in ihrem Innern, begann Oktobrjana sich wirklich zu beruhigen; die Halsschlagadern traten heraus, als sie um Artikulation rang. Ihre Hände zitterten, daß man fürchten mußte, sie würden sich von ihren Gelenken lösen.
    »Papier am Boden«, stieß sie keuchend aus; ich vermutete, daß die Muskelkontraktionen auch die Lungen angriffen, und es schien möglich, daß ihre Versuche, die Atmung aufrechtzuerhalten, zu ihrem Ersticken führen konnten. »Einiges habe ich aufgeschrieben, aber ich muß erläutern.« Eines ihrer Knie kam hoch bis ans Kinn; Wanda und ich verhinderten, daß es dagegenschlug. »Einfache Anweisungen. Besorgen Sie Transfervorrichtung, wenn möglich. Gehen Sie zur Ausstellung. Wenn Transformator eingeschaltet wird, kommt massive Energieentladung zustande. Wenn Wettervorhersage zutrifft …« Ein plötzlicher Anfall von Hyperventilation hinderte sie am Weitersprechen; die blutunterlaufenen Augen traten aus dem gefleckten Gesicht, als sie sich mühte, ihre Atmung wieder zu beherrschen.
    »Ruhig«, sagte Jake, von ihrem anderen Ende. »Ruhig, ruhig!«
    Ihr rechter Arm schlug wie im Zorn auf die Couch und wirbelte Staub durch die Luft. »Wenn Wettervorhersage zutrifft, sollte Gewitter am Abend zusätzliche Möglichkeiten bringen. Nichts, worauf sich bauen ließe. Dort auf Papier geschrieben. Aber gehen Sie nach Wiedergewinnung zur Ausstellung. Zeitwahl und Situation berechnet …«
    Ohne Vorwarnung schlugen ihre Beine luftwärts, stießen Jake und Wanda zurück. Als eine ihrer Achillessehnen riß, stieß sie ein weiteres langgezogenes Winseln aus. Jake drückte ihre Beine wieder mit Mühe herunter, und ich hielt ihren Kopf, strich ihr lockere Strähnen aus dem Gesicht. Sie starrte in meine Augen auf, Zorn und Nichtverstehen und verletzte Hoffnung im Blick; das Blut an ihrer Unterlippe war getrocknet und brach auf, als sie lächelte. Während ich in ihr Gesicht sah, kam sie allmählich zur Ruhe, ihre Atmung normalisierte sich und wurde langsamer. Die sichtbaren Teile ihres Körpers zeigten sich als ein Flickwerk von schwärzlichen, blauen und grünlichgelben Flecken. Ihre blutunterlaufenen Augen blickten weiter aufwärts, die Lider zuckten wie unter einer äußeren Ladung. Sie lag da und rührte sich nicht mehr; Jake und Wanda beugten sich näher, ohne ihre Beine loszulassen.
    »Ist sie … ?«

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