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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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und waren in der Eingangshalle. In unserer Zeit sind Krankenhäuser im allgemeinen so hell beleuchtet, daß man Blindheit riskiert, wenn man im Innern die Augen öffnet. Im Bellevue lag alles in Halbschatten. Wir sahen gallegrüne Wände, die zischenden Lampenfassungen an der Decke und den schmutzigen, abgenutzten Fliesenboden; viele Patienten, allesamt Weiße, saßen, standen und gingen herum, durcheilt von Krankenschwestern mit weißen Kappen und weißgekleideten Ärzten. Überall in der Eingangshalle wurde geraucht; Ärzte und Krankenschwestern rauchten. Deckenventilatoren brachten nicht viel mehr zustande, als Hitze und Rauch gleichmäßig zu verteilen, desgleichen die vertrauten Gerüche von Alkohol, frischem Verbandsstoff und nahendem Tod.
    »Wenn gefragt«, sagte Jake, »sind wir Spezialisten.«
    »Doktor Zuckerman«, rief eine körperlose Stimme aus hölzernen Lautsprechergehäusen an der Wand über uns. Aus einem Korridor drangen Schreie; Jake schien es nicht zu bemerken. »Bitte zur Notaufnahme. Dr. Zuckerman …«
    »Wo wird er aufbewahrt, Luther?« fragte Jake und schritt voraus; in seinem weißen Anzug schien er nicht anders als irgendein Chirurg, geschickt mit dem Messer. Ich verbarg den Aufspürer in meiner Hand und sah nach.
    »Beinahe über uns«, sagte ich. »Sechster Stock.«
    »Nicht höher?«
    »Nein«, sagte ich, nach Aufzugtüren äugend. »Hierher!«
    Wie Wanda prophezeit hatte, wurden wir nicht aufgehalten; alle schienen zu sehr beschäftigt mit ihren eigenen Angelegenheiten der Sterblichkeit, um sich mit unseren zu befassen. Einige beäugten Jakes Anzug übergenau, als bewunderten sie Schnitt und Stil. Wir bestiegen den Aufzug, als die Schiebetüren aufgingen; sahen, daß sie vom Aufzugführer geöffnet worden waren, einem gedrungenen Schwarzen, der in der Kabine saß.
    »Welches Stockwerk, Sir?« fragte er mich, ein leises Lächeln um die Lippen.
    »Sechstes«, sagte ich. »Danke.« Während wir emporgetragen wurden, stand Jake schweigend, den Türen zugewandt, scheinbar geistesabwesend. Ob Oktobrjana zum Zeitpunkt unserer Rückkehr – wenn wir zurückkehrten – noch am Leben sein würde, konnte ich nicht sagen, und ich vermute, daß dieser Mangel an Gewißheit ihn in seinem Handeln nur entschlossener machte. Als der Aufzugführer einen Hebel bediente, unseren Aufstieg anzuhalten, machten wir uns bereit; ich hatte Skuratows Krankenzimmer als aufzugnah eingeschätzt. In einem tiefen Alkoven nahebei, geschützt vor unmittelbarer Beobachtung, war eine unmarkierte Tür mit einer Glasscheibe. Ein Polizist schlief auf einem Stuhl daneben.
    »Engpaß«, murmelte Jake im Weitergehen. »Laß uns den Abfluß entstopfen.«
    »Handle mit Vernunft, Jake«, sagte ich.
    »Wie immer.« Der Polizist schnaubte sich wach, wollte aufstehen, als er uns kommen sah. »Halt, da können Sie nicht hinein …«, fing er an. Jakes rechte Hand flog heraus, die Handfläche senkrecht gestellt; landete mit dem Ballen kraftvoll auf der Nase des Mannes, stieß die kleinen Knochen tief hinein. Die Augen des Polizisten wurden schielend nach innen gezogen, Blut ergoß sich auf seine Lippen. Jake schleuderte Schleim von der Hand, stieß die Tür auf, blickte hinein; ein kurzer Durchgang führte zu einer weiteren, unbewachten Tür. Durch den Stoff meiner Jacke hörte ich das Piepsignal des Aufspürers.
    Jake schleifte den Polizisten von seinem Stuhl in den Durchgang und ließ ihn dort am Boden, als wir weitergingen.
    »Jake«, erinnerte ich ihn. »Vorsicht!«
    »Ein geschlossener Raum voraus«, murmelte er. »Sie werden keinen Overkill versuchen, selbst wenn sie in diesem Fall vorbereitet sind.« Er machte etwas unter seinem Mantel bereit. »Sie erwarten Kontaktaufnahme. Wir geben ihnen Überraschung.« Er überraschte, indem er die Tür mit einem Fußtritt aufstieß und hineinsprang. Drinnen saß ein Mann mittleren Alters in einem braunen Anzug auf einem Stuhl, mit Blickrichtung zu einem Vorhang, der einen Teil des Raumes abtrennte. Bevor er sich rühren konnte, warf Jake ihn zu Boden und stieß ihm mit unbilliger Leidenschaft die Omsk in den Mund. Ich schloß leise die Tür hinter mir, um nicht zu stören.
    »Wo ist der Ehrengast?« fragte Jake.
    Der Mann zeigte zum Vorhang; seine Augen zeigten fast nur noch das Weiße. Ich zog den Vorhang zurück und fand Skuratow flach gebettet, beide Hände benadelt mit intravenösen Schläuchen. Ein weiterer Schlauch schickte Atem durch seine Nase. Nur die Augen zeigten Bewußtsein.

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