Ambient 04 - Terraplane
Welt.
»… nach der hologrammatischen Theorie enthält das, was existiert, ein duplikatives Muster in sich, das in Rationalität …«
Ich überprüfte die Liste der Präsidenten im späten neunzehnten Jahrhundert: Hamlin, Conkling, Tilden, Blaine, Harrison, Cleveland, McKinley, Franklin D. Roosevelt.
»… Möglichkeiten nicht auf die Existenz bloß zweier Welten begrenzt, versteht sich …«
ROOSEVELT, FRANKLIN D. Dreißigster gewählter Präsident der Vereinigten Staaten. Aus reichem Hause, von Kinderlähmung befallen, 1932 Gewinner der Präsidentschaftswahl über den durch die Wirtschaftskrise in Ungnade gefallenen Herbert Hoover. Einen Monat vor der Amtseinführung von dem Anarchisten Joseph Zangara in Miami ermordet. Nach der volkstümlichen Legende soll er einen Geheimplan zur Gesundung der Wirtschaft gehabt haben, tatsächlich jedoch erhoffte er eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch die Verwirklichung unbestimmter Vorstellungen eines institutionellen Sozialismus, der zur Bolschewisierung der Vereinigten Staaten geführt hätte. Nachfolger John N. Garner verzichtete auf die Verwirklichung der dubiosen Reformen, konnte die Fortdauer der Wirtschaftskrise nicht abwenden und erlebte ihre Verschärfung durch den Sezessionsversuch der von Dürre und Armut heimgesuchten Staaten des Mittelwestens …
»… die resultierenden Veränderungen liefern in jedem Fall wunderbaren historischen Spiegel, in welchem wir unser Gesicht sehen, wie es hätte sein können.«
»Churchill wurde 1931 hier in New York von einem Taxi überfahren«, sagte ich und warf das Buch couchwärts. »Roosevelt 1933. Bis vor dreißig Jahren gab es hier in Amerika Sklaverei, und die Ergebnisse und Folgen sind noch fühlbar. Hitler und Stalin sind im Begriff, einander die Herrschaft über Europa streitig zu machen. Was für ein Spiegel? Was für ein Gesicht?«
»Tut gawno, tam gawno«, sagte Oktobrjana: »Hier Scheiße, dort Scheiße.«
»Skuratow sagte, Sie hätten den großen Mann ganz unvernünftig geliebt«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf, daß ihre Haarsträhnen in einer wilden Corona um ihr Gesicht wehten. »Tschort. Krasnaja-Desinformation der lächerlichsten Sorte. Mein Großvater starb in Stalins Gulag.«
»Sie haben ein gerahmtes Porträt«, erinnerte ich sie, »von höchst idealisierter Form.«
»Sanyas«, sagte sie. »Behalten, weil es mich an ihn erinnert.«
»Der große Mann war Aljechins Idol?«
Der Gedanke an ihren verschwundenen Freund und Mentor beruhigte sie, obwohl ein Gesichtstic zurückblieb, der ihre Wangen ohne Rhythmus in Bewegung hielt. »Er war beschirmter, bevorzugter Wissenschaftler«, sagte sie. »Hatte wenig Kenntnisse politischer Realitäten der Vergangenheit. Das Gehirn hat Platz nur für soviel, sagte er oft. Unterlag der Selbsttäuschung des Dummkopfes, daß Stalin der wissenschaftlichen Arbeit den ihr zukommenden Respekt und ungeleitete Hilfe gegeben haben würde. Ich versuchte viele Male, reinigenden Regen auf seinen trüben Kopf herabzusenden. Erzählte ihm von Lysenkos Verrücktheit und dergleichen. Er behandelte meine Worte als Beschmutzung vergangener Geschichte. Vertrat die Ansicht, daß die Verwendung der Bilder des großen Mannes in Anzeigenkampagnen die große Führergestalt erniedrige, unterstützte jedoch den Zweck, sie, die bis dahin tendenziös herabgesetzt worden sei, in neues Licht gesetzt künftigen Generationen zu überliefern. Sagte viele Male, daß unsere Welt ein besserer Ort sein würde, wenn er noch lebte. Hohe Intelligenz und wissenschaftliche Brillanz, wie Sanya sie hatte, enthält leider oft viel Dummheit.« Ihre glänzenden Augen blickten zu Jake. »Ich mag starke Männer, gewiß. Ihre Anziehungskraft überwältigt manchmal. Aber für Ungeheuer habe ich nichts übrig.«
»Sie erlaubten ihm seine Träume?«
»Er war taub für Vernunft ohne Hypothese. Und Sanya und ich planten Heirat nach Beendigung des Projekts«, sagte sie. »Wenigstens planten wir es zu Beginn des Projekts. Man liebt die Fehler des Geliebten mehr als seine Vollkommenheiten, in Grenzen.«
»Ihr hattet Heiratspläne?« fragte Jake. Sein Gesicht, eben noch gleichmütig, schien von unverantwortlichem, weil offensichtlichem Gefühl zu leuchten.
»Gewiß. Die übliche staatliche Eheschließung mit geeigneter Musik. Danach lange Taxifahrt zu Leninhügel, um Fotos zu machen.«
»Welche Musik war als Hintergrund während der Zeremonie programmiert?« fragte ich in zerstreutem Gedenken an
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