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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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konnte, wurde ausgepeitscht.« Er lachte. »Keiner konnte es mithalten. Nach einer Weile mußten sie begriffen haben, daß sie ihre Investition Stück für Stück würden umbringen müssen, um mehr aus uns herauszuholen, also ließen sie es sein und kamen mit neuen Methoden, um mit uns Unruhestiftern fertigzuwerden. Ich war ein Unruhestifter. Organisierte einmal einen Sitzstreik. Alle in meiner Reihe hörten auf, setzten sich nieder und rührten sich nicht vom Fleck. Zuletzt mußten sie die Staatsmiliz hereinschicken, um uns hinauszuschaffen.«
    »Wurden Sie bestraft?«
    »Natürlich«, sagte er, blickte fensterwärts. »Danach schickten sie Wanda und mich hinunter in den Süden. Das war nicht lang, nachdem sie uns zusammengegeben hatten.«
    »Eine verordnete Hochzeit?« fragte ich.
    »Gibt es eine andere?« fragte er, lehnte sich wieder zurück und entlockte seinem Stuhl neuerliche Schreie. »Mir machte es nichts aus. Gott, ich war ein sechzehnjähriger Junge, und Wanda war damals ein gutaussehendes Mädchen. Sie wollten auch sie los sein. Sie war dort aufgewachsen und machte ihnen auf hinterhältigere Weise noch mehr Schwierigkeiten. Sie verheirateten alle, die sie hatten, solange sie konnten, denn sie rechneten damit, daß sie in der Zukunft viel mehr Arbeiter brauchen würden, und sie wollten welche, die unter ihrer Aufsicht aufwuchsen. Die Kinder sollten aber nicht wild aufwachsen wie Kaninchen, sondern von Eltern aufgezogen werden, in einem christlichen Heim.« Er räusperte sich, zündete sich eine neue Zigarette an. »Aber Wanda und ich waren Unruhestifter, und sie schickten uns nach Kuba.«
    »Kuba?« sagte ich. »Hatten sie einen diplomatischen Vertrag oder was …«
    »Diplomatisch? Mit einem anderen Bundesstaat? Kuba ist seit dem Krieg gegen Spanien der fünfzigste Staat. Damals noch ein Territorium, aber …«
    Ich erkundigte mich nicht nach dem neunundvierzigsten; es mochten die Philippinen gewesen sein, oder sogar Nicaragua.
    »Ich hatte immer gehört, daß Kuba besonders schlimm sei; aber wo wir waren, da war es die Hölle. Ungeziefer, das uns auffraß, Spinnen, Tausendfüßler, Giftschlangen, Giftfrösche. Wirbelstürme. Die Männer wurden alle in Ketten gehalten. Ich habe noch immer eine große Narbe am Knöchel. Wir arbeiteten in den Zuckerrohrfeldern, schnitten und verluden das Zuckerrohr. Bei Tagesanbruch wurden wir geweckt und mußten bis Dunkelwerden arbeiten.«
    »Wie lange waren Sie dort?«
    »Nicht lang. Viele Leute glauben, der alte Teddy sei der größte Mann, weil er die Sklaverei abschaffte, aber ich glaube, er hatte Gründe, die mit uns gar nichts zu tun hatten. In dem Jahr hatte es an der Börse eine Panik und Kursstürze gegeben. Was ich seither gelesen habe, läuft darauf hinaus, daß J. P Morgan den Staatsbankrott verhinderte, indem er dem Land Anleihekapital verschaffte. Nun hatte Europa den USA seit Jahren alle möglichen Schwierigkeiten gemacht, weil sie die Sklaverei noch nicht abgeschafft hatten, und als die Regierung unter finanziellen Druck geriet, erkannten die Europäer, daß sie ihren Trumpf ausspielen konnten. Morgan hatte eine Menge Geld in Europa investiert, und ich vermute, daß sie drüben sagten, gut, du kannst dein Geld herausziehen, wenn du Teddy sagst, er muß etwas tun. Wahrscheinlich dachte Morgan auch, daß es für Großunternehmen im Norden leichter sein würde, die Konkurrenz im Süden zu schlucken, wenn diese plötzlich Schwierigkeiten bekäme, ihre billigen Arbeitskräfte zu halten, und genauso kam es dann später. Ich habe das Gefühl, daß alles hinter den Kulissen ausgehandelt wurde. Bill und ich haben manchmal darüber diskutiert, und er denkt genauso. Wie auch immer, 1907 verkündete der alte Teddy Roosevelt eines Tages, er sei zu dem Entschluß gekommen, daß es Zeit sei, die Sklaverei für ungesetzlich zu erklären, und das tat er. Eines Tages gingen wir als Dreck zu Bett und wachten als Erde auf.«
    Er saß eine Weile still. Das Sonnenlicht warf Schattenstreifen über uns. »Wie sind Sie von Kuba zurückgekommen?«
    »War nicht einfach …« Nebenan läutete das Telefon, ein lautes, gellendes Schrillen. »Entschuldigen Sie mich.« Er ging hinaus und antwortete vor dem dritten Läuten. Ich sah mir die Pennies in seinem blauen Glaskrug genauer an. Zwar waren ein paar Indianerköpfe auszumachen, aber auf dem vorherrschenden Tausenden war das grinsende, bebrillte Gesicht Theodore Roosevelts zu sehen. Obwohl meine Füße auf festem Boden standen, fühlte

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