Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
die Krankheit eine Rolle. Es tut mir leid, Luther.«
    »Entschuldigung nicht erforderlich«, sagte ich. »Wie war ihre Reaktion, als sie es hörte?«
    »Ich habe es ihr noch nicht gesagt.«
    »Nein?«
    »Jake auch nicht. Sie haben Augen füreinander, die beiden, nicht wahr?«
    »So ähnlich«, sagte ich. »Warum sagten Sie nichts?«
    »Ich wollte sicher sein. Deshalb wartete ich auf den Bescheid vom Krankenhaus. Er bestätigte meinen Befund. Ich wollte etwas sagen, aber sie ist so …« Er stockte. »Sie sieht so jung aus. Ich brachte es nicht über mich. Konnte kein Wort sagen.«
    »Dann ist es endgültig?« fragte ich. »Tod durch Krankheit unvermeidlich?«
    »Es sei denn, Sie kehrten gleich in Ihre Zukunft zurück und hätten dort ein Heilmittel bereit. Andernfalls ist keine Rettung möglich.«
    Andernfalls also eine Art Soldatentod, der nichts als Schmerz und Verlust mit sich brachte. Unverzügliche Rückkehr war jetzt mehr als erforderlich, nicht nur, um sie zu retten – denn wir hatten in unserer Welt keine solche Krankheit, die mir bekannt war, und daher kein Gegenmittel –, aber wenn sie vorzeitig von uns ging, würde es Skuratows Auffindung fraglich und die Herstellung einer Verbindung mit Aljechin noch zweifelhafter machen. Jakes unberechenbare Reaktionen waren auch ein Störfaktor; daß er sich von ihr angezogen fühlte, war offensichtlich, wenn auch unausgesprochen. Wenn er erfuhr, daß sie so kurz nach unserer Ankunft sterben würde … Ich bezweifelte, daß er vernunftvoll reagieren würde.
    »Luther«, sagte Doc, »Es liegt in Gottes Hand.« Um herauszufallen, hätte ich beinahe gesagt. »Hören Sie, ich erwarte einen Patienten von mir, der wochentags arbeitet. Er kommt in ungefähr zehn Minuten. Lassen Sie mich die Vorbereitungen treffen, und sobald ich mit ihm fertig bin, sehen wir weiter. Es tut mir leid, daß ich es ihr noch nicht sagen konnte. Ich werde es dann tun.«
    »Wir werden es tun«, sagte ich. Ich verließ seine Praxis, durchquerte den Hausgang und betrat die unversperrte Wohnung. Jake und Oktobrjana couchten zusammen, mit einem halben Meter Abstand. Sie blätterte in einem gigantischen Buch, das sie vor sich auf dem Schoß hatte; als ich ihre Augen hin und her huschen sah, merkte ich, daß sie nicht nur blätterte, sondern las. Jake sah mit einem Ausdruck zu, als wartete er auf eine geeignete Pause, um sich vorzustellen. Als sie mich sah, hob sie plötzlich das Buch und hievte es in meine Richtung.
    »Fangen Sie, Luther!« rief sie lachend; beidhändig fing ich das Buch auf, bevor es bisher verschonte Rippen brach. So rot war ihr Gesicht, daß ich dachte, sie habe getrunken; ihre Gesten glichen einem optischen Telegraphen.
    »Ein wundervolles Handbuch der Weltgeschichte, das Doc da hat. Herausgegeben von der Zeitschrift Time. Lesen Sie darin, Luther! So viele bemerkenswerte Unterschiede.«
    »Wo ist Wanda?« fragte ich.
    »In Träumen«, sagte Jake. »Von den Ängsten und der Müdigkeit des Morgens in den Schlummer gezogen.« Er hatte die Hände vor sich verschränkt, als fürchte er ihr selbständiges Handeln, wenn er sie voneinander löste.
    »Ist hochinteressant«, sagte Oktobrjana, Schweißperlen auf der Stirn. »Lange Zeit schien hier alles den gleichen historischen Weg zu gehen wie bei uns, nur später. Vor annähernd achtzig Jahren setzt Divergenz ein.«
    Bald hatte ich den gewünschten Eintrag gefunden: »LINCOLN, ABRAHAM. Sechzehnter gewählter Präsident der Vereinigten Staaten, geboren in Kentucky, Rechtsanwalt, bedeutender Redner, Opfer der Geschichte. Auf dem Weg zur Antrittsrede im März 1861 wurde er beim Betreten des von Anhängern der Sezession beherrschten Baltimore von militanten Parteigängern des Südens angegriffen und brutal niedergeschossen …«
    »Keine offensichtliche Ursache plötzlicher Veränderung. Möglicher Faktor könnte die Detonation der ersten Atombombe in unserer Welt sein. Unerwarteter Nebeneffekt.«
    »Nebeneffekt?« sagte ich. »Atombomben in Japan töten Lincoln hier?«
    »Wechselbeziehungen ergeben Sinn«, sagte sie und befeuchtete fiebrig ausgedörrte Lippen. »Keine andere Theorie so wahrscheinlich. Wie identische Zwillinge, getrennt durch Entfernung. Der eine wird verletzt, der andere fühlt den Schmerz.«
    Sinnlos, dachte ich, eine Überlegung, die weder Gewicht noch Verstand hat; freilich nicht sinnloser als unser Aufenthalt hier. Während Oktobrjana mit Theorien wie mit Knallfröschen um sich warf, überflog ich die Geschichte dieser

Weitere Kostenlose Bücher