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Ambient 04 - Terraplane

Ambient 04 - Terraplane

Titel: Ambient 04 - Terraplane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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mit uns.«
    »Wer ist er?« fragte ich.
    »Das ist Vernon«, sagte Doc. »Wandas Vetter zweiten Grades. Er leitet den Club. Wir alle sind Hauseigentümer. Zogen vor zehn Jahren zusammen hier ein, kurz vor der Wirtschaftskrise. Bezahlten in bar. Selbst wenn es zehnmal schlimmer wird, als es ist, und sie sagen immer, daß es dazu kommen könnte, wird uns niemand auf die Straße setzen. Nun, wenn einer von meinen Mietern nach einer Weile nicht mit den Kohlen rüberkommt, ist er fällig, aber …«
    »Du hast in deinem Leben noch nie einen von diesen Schnorrern rausgeschmissen«, meinte Jess lachend. »Läßt es Wanda machen.«
    Doc ignorierte, fuhr fort: »Ich verwalte die Wohnungen, Vernon leitet den Club. Schlimmstenfalls kommen wir ungefähr mit plus minus Null weg, die meiste Zeit aber besser. Wenn das Haus voll ist und hier unten gute Darsteller auftreten, nun, dann sind wir obenauf.«
    »Wir hoffen, Sie haben genauso Ihre Freude an Harlem, wie wir unsere Freude an Ihnen haben«, sagte Vernon im Brustton der Aufrichtigkeit. Jess wandte den Kopf zur Seite, verbiß sich ein Lachen.
    »Hätte meine Freude daran, sie mit dem Bajonett aufzuspießen.«
    »Lächeln und ertragen, Jess«, sagte Doc. »Immer mit der Ruhe.«
    »Mr. Johnson wird jetzt jeden Augenblick herauskommen«, sagte Vernon.
    »Das sollte er auch«, rief ein besonders elfenbeinfarbenes Mitglied der Gesellschaft aus dem Publikum. »Diese verdammten Aufführungen fangen nie rechtzeitig an.« Seine Begleiterin, eine junge Frau, trug ihre frisierte Blondheit gelockt unter dem Hutschleier; mit weißbehandschuhter Hand schwenkte sie eine halbmeterlange Zigarettenspitze wie ein Brandeisen. Als sie sprach, prallten ihre Worte von der Stille ab, die sich stets in ungelegenen Augenblicken ausbreitet, damit die resultierende Peinlichkeit vollkommen sei.
    »Wir hätten im Regenbogen bleiben können«, winselte sie nasal. »Aber nein. Geldsack hier muß uns zu einer verdammten Negerschau nach Harlem schleppen.«
    Als Vernon die Bühne verließ, ging ihre Stimme im anschwellenden Gemurmel des Publikums unter; zusätzliche Kommentare blieben glücklicherweise ungehört, jedenfalls von uns.
    »Man sollte das Miststück räuchern«, sagte Jess mit gedämpfter Stimme.
    »Das schlägt alles«, sagte Doc. »Kommen hier herauf, und kaum sitzen sie da, fangen sie an zu meckern. Es ist zu voll. Zu heiß. Das Essen taugt nichts. Geben Sie mir ein sauberes Glas …«
    »Was erwarten sie?« sagte Jess. »Aber du hast in einem Punkt recht. Sie bringen eine Menge Scheine mit.«
    »So ist es.«
    »Von mir aus sollen sie motzen, soviel sie wollen, Hauptsache, sie bleiben lange genug, um es auszugeben.«
    »Was wollte ich sagen? Ach ja. Die ersten zehn Jahre hier oben lebten Wanda und ich in Drecklöchern«, fuhr Doc fort. »Unten in San Juan Hill. Zweiundsechzigste. Als ich aus der Armee entlassen wurde, hatten sie gerade die Prohibition durch Gesetz eingeführt, das Beste, was uns passieren konnte. Wissen Sie, Wanda kannte natürlich Vernon, er war schon ein paar Jahre vor uns heraufgekommen, und Cedric war in meinem Regiment …«
    »Cedric?« sagte ich. »Er ist in Ihrem Alter?«
    Doc seufzte. »Niemand scheint so alt auszusehen, wie er ist, nur ich. Ja, er ist in meinem Alter. Jedenfalls fingen wir alle zusammen an, Geschäfte zu machen. Lee kam später noch dazu, nachdem ich aus diesem Geschäftszweig ausgestiegen war. Aber am Anfang richtete Vernon eine Destille ein und verkaufte den Badewannenschnaps partienweise. Cedric hatte schon immer einen Blick für Organisation, und er zog die Sache so auf, daß uns die Gangsterbanden nicht zu dicht auf den Leib rückten. Er arrangierte sich, verstehen Sie? So war das. Mit der Zeit dehnten wir das Geschäft aus. Dieser Club war eine unkonzessionierte Kneipe, als wir zuerst aufmachten. Das Gute daran war, daß Cedric oder Vernon bloß das Polizeirevier zu schmieren brauchten, und sie ließen uns in Ruhe. Wir kamen gut zurecht.«
    »Durch Ungesetzlichkeiten.«
    Er starrte mich an, wie er es nicht einmal bei unserem ersten Zusammentreffen getan hatte. »Kommen Sie runter von Ihrem hohen Roß, Mann! Was sollte ich machen? Bis ich diese medizinischen Kurse belegte, hätte ich nicht mal Arbeit als Aufzugführer in der Stadt gefunden. Und woher sollte ich Geld nehmen, um etwas anzufangen? Die einzigen von Farbigen gegründeten Banken waren Ende 33 alle von der Bildfläche verschwunden, und die U.S. Bank hätte mir nie Kredit gegeben. Ich

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