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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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über dem Eingang, schrammte über unser Wagendach, als wir unterdurchfuhren. Als der Fahrer geradewärts eine Barrikade entdeckte, lenkte er uns auf den rechten Gehweg und fuhr zwischen Baumstümpfen entlang des Bordsteins hindurch. Ein Teil von Mt. Sinais älterer Fassade war straßenwärts eingestürzt und blockierte die Fahrbahn. Als wir auf die Straße zurückkehrten, bremste der Fahrer, und wir warteten. Leverett reckte den Hals und starrte nach vorn.
    »Was ist los?« fragte E, öffnete seine Fenster und streckte seinen skimaskierten Kopf hinaus. Er zog ihn schnell wieder ein. Als ich fensterwärts am Fahrer vorbeiblickte, sah ich einen wimmelnden Strom von Ratten, der sich aus dem Park ergoß und ostwärts die 100ste hinunter wandte; sie hielten sich flußwärts, als wollten sie lemmingen. Ihr Zirpen war so laut wie das eines Vogelschwarms; mehrere Minuten vergingen, bevor alle passiert waren. »Ihr könnt nichts gegen Ratten machen?«
    »Sie werden hier gebraucht«, sagte Leverett; er ganserierte, als er weitersprach. »Die Menschen müssen essen.«
    Der wuchernde Central Park verhüllte die Gehwege unterhalb der 96sten; ein Zuckerguß aus nassem Abfall überzog die totblättrigen Sträucher, die unter dem Gewicht zweigbrachen. Gegenüber, linkswärts, erhoben sich die Klippen regenvernarbter Apartments an der Avenue: Aus einigen ihrer toten Augen flatterten flaggengleich Vorhänge; hinter den Lidern anderer flackerte noch Licht und verriet jene, die sich noch gegen die Morgendunkelheit zusammenkauerten.
    »Darin wohnen noch Menschen?« fragte E.
    »Ältere hauptsächlich«, sagte Leverett. »Sie betteten sich hier vor Jahren und beschlossen, hier liegenzubleiben. Sie sind gesichert, zu einem gewissen Grad.«
    »Gibt's hier Polizei, die auf sie aufpaßt?«
    »So etwas Ähnliches. Hier kannst du sehen, was gemeint ist. Gute Sache, eine Ampel«, sagte Leverett; unser Wagen war der einzige, der oberhalb der 72sten zu sehen war. »Sind wir gepanzert, Fahrer?«
    »Dreifach«, antwortete der Fahrer.
    »Wir werden Gelegenheit zur Vogelperspektive haben. Elvis, siehst du den Jungen? Kein Anzeichen von Besserung, und es ist offensichtlich, daß er hier nicht mietwohnt. Unzweiflig ein Gauner. Sieh.«
    Der Jugendliche, der durch die Gossen der 88sten Straße schlich, schien noch ein Teenager zu sein. Als er festgestellt hatte, daß wir keine direkte Gefahr darstellten, stellte er einen nackten Fuß auf den Bordstein. Die Kellerfenster des nächsten Gebäudes öffneten sich; E und ich warfen uns instinktmäßig bodenwärts, als die Waffen das Feuer eröffneten. Kugeln prasselten wie Hagel auf unseren Wagen ein, plätscherten so harmlos wie der rußgeschwängerte Regen. Als es wieder ruhig war, erhoben wir uns und blickten durch das Heckfenster; sahen die Überreste des Jungen, einen geröteten Beutel, der aus einem Jet gefallen zu sein schien.
    »Die Bewohner kodifizieren sich auf Entfernung«, sagte Leverett. »Vor Jahren machten diese Schutzeinrichtungen solche Wächter überflüssig. Die Urreoptimierung sozusagen.«
    »Was passiert, wenn man einfach so vorbeikommt und beschossen wird?« fragte E.
    »Man stirbt für gewöhnlich«, sagte Leverett.
    Ich nahm E's Hand und strich beruhigend darüber; er zog sie schnell zurück, wie es auch mein Mann getan hätte. Wir passierten die alte Met, die leerstand, seit der Megalith-Bau in der Bronx im vorigen Jahr eröffnet hatte. Götterbäume sprießten grün zwischen den Stufen, Efeu überwucherte die Marmorwände; am Ende des Jahrzehnts würde der Park alles Gelände wieder in Besitz genommen haben, das ihm einst um der Kunst willen gestohlen worden war.
    »Warum sind alle abgehauen?« fragte E. »Was ist passiert?«
    »Es herrschten schwierige Zeiten«, sagte Leverett. »Rauhes Wetter vorn und hinten. Die Probleme hielten so lange an, daß sich die angepaßten Überlebenden nicht mehr reoptimieren ließen. Die U-Bahnen sind überflutet, die Brücken stürzen ein. Schau selbst, wie die Straßen aussehen. Mister Dryden bestimmte, daß wir nach Norden umzogen, bevor wir neubauten. Viele hielten ihn für verrückt.«
    »Er war verrückt …« setzte ich zum Sprechen an.
    »Du artikulierst, aber Madam spricht«, sagte Leverett. »Bedenke die Quelle, Isabel. Ich habe ihn gekannt. Oft gingen wir spazieren. Mister Dryden sah seine Welt ohne Scheuklappen und handelte entsprechend, um sie seiner Vorstellung gemäß zu verändern. Nur wenige waren so fähig wie er, das Leben

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