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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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zuwandte und uns ohne Rücksicht auf die Umstehenden zur Flucht antrieb. E war als erster durch die Tür, er schoß in den Korridor, als käme er aus einer Druckkammer; Malloy blieb dicht hinter mir, als ich hinaustrat, während er Leverett mit festem Griff führte. »Nicht rennen«, sagte er. »Das wird sie nur herausfordern.« Also gingen wir zügig durch die Gänge, passierten die Ausstellungen und Verkaufsstände und ignorierten die Blicke der übrigen Besucher. Ich blickte mich um, als ich Gegröle hörte; sah die Bulgaren eine große Interpretenmenge anführen, die uns folgte. Erst als wir hinaustraten, begannen sie uns etwas hinterherzuwerfen, doch dann blieben sie drinnen, statt auf unsere Gruppe loszustürmen. Sie riefen uns Flüche hinterher, als wir zum Parkplatz liefen. Einige lange Minuten warteten wir dort, ins Gebäudelicht getaucht, und schnappten nach Luft.
    »Vielleicht war unsere Tour doch nicht so erfolgreich wie gewünscht«, sagte Malloy, strich sich seine Jacke glatt und bot Leverett ein Taschentuch an, um seine Blutung zu stillen.
    »E«, sagte ich. »Vergib. Ich hatte nicht erwartet …« »Sonntagnacht, Isabel«, flüsterte er und zerrte sich seine
    Perücke tiefer in die Stirn. »Du hast es versprochen. Sobald
    es vorbei ist, ist es vorbei.« »Sie werden bereuen«, hörte ich Leverett sagen; ich drehte mich um und beobachtete, wie er sich das Blut aus dem Mund wischte. »Sie werden bereuen.«
     
    Als ich wieder im Hotel war, machte ich einen Abstecher zu Johns Zimmer. Unser Zwischenfall hatte unseren Zeitplan für den Abend umgeworfen, so daß wir eine Stunde früher als geplant zurückkehrten. Die Tür öffnete sich, als ich anklopfte; bevor ich hereingekommen war, hatte ich durch die Bäume des Platzes hinaufgesehen und festgestellt, daß in seinem Zimmer Licht brannte. Ich zögerte vor dem Eintreten, da ich eigentlich nur in mein Zimmer gehen und schlafen wollte; entgegen meinen Wünschen war ich an jenem Nachmittag schlaflos geblieben, und jetzt verliehen meine Augen allen Dingen einen halluzinatorischen Schimmer. Ich trat ein, schloß die Tür hinter mir, ohne sie zu verriegeln, und sah John auf seinem Bett liegen. Wenn die Situation nicht so traumartig gewesen wäre, hätte ich sicherlich geschrien und ihn aufgeweckt; dennoch ängstigte ich mich, daß ich meinen Mann in dem Zustand angetroffen hatte, vor dessen Eintreten ich mich immer gefürchtet hatte, bis ich entdeckte, daß Atmung seine Brust hob.
    John meditierte; er hatte sich so sehr in Trance versetzt, daß er meine Anwesenheit nicht bemerkte. Ich fühlte mich sicherer, nachdem ich festgestellt hatte, daß er sich entkörpert hatte; wollte nicht nachdenken, warum ich mich so selig fühlte; sah mich in seinem Raum um und erkannte eine Nachahmung meines eigenen. Er hatte seine Jacke auf einen Stuhl geworfen, wie er es zu Hause auch immer getan hatte; sein Knifelife -Exemplar lag aufgeschlagen darauf. Als ich die Broschüre aufnahm, las ich den einzigen Satz auf der Seite, Jakes Goldene Regel:
     
    Liebe den Tod. Hasse das Lebende.
     
    Er hatte die Worte unterstrichen; ich vermutete, daß er sie schon seit langem auswendig konnte. Ein häuslicher Zwang überkam mich; als ich seine Jacke anhob und überlegte, ob ich sie für ihn aufhängen sollte, wunderte ich mich über ihr Gewicht. Als ich sein Obst in einer Tasche entdeckte, verspürte ich unerwartet Hunger, zog die Tüte heraus und bemerkte sofort einen starken chemischen Geruch nach Ammoniak; in meinem verwirrten Zustand fragte ich mich, wie Trockenfrüchte verderben konnten, und öffnete die Tüte. Auch wenn ich mich anschließend zu überzeugen versuchte, daß ich in meinem halbwachen Zustand das Gesehene mißinterpretiert haben mußte, wußte ich und weiß ich auch jetzt, daß ich, als ich die Tüte fallenließ, sah, wie Ohren auf den orientalischen Teppich herausfielen.
    John begann zu murmeln, als ich mich türwärts wandte; sprach tiefstimmig wie im Schlaf, setzte zu einer Litanei an und schien sich mit seinem Sprechgesang langsam ins Bewußtsein zurückzuarbeiten.
    »Lebendes muß leben«, sagte er. »Lebendes muß leben. Leben erfordert einen Zweck. Leben erfordert einen Zweck. Zweck bedingt das Lebende. Lebendes muß leben. Lebendes muß …«
    Selbst bei unserem Treffen hatten wir uns mit unserem Lieblingsgesichtsausdruck maskiert, den wir auch anderen zumuten konnten; während unserer gemeinsamen Jahre ermöglichte die Vergoldung, die wir vor langer Zeit

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