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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Brustbehaarung; Asiaten, Indianer und andere diesbezüglich von der Natur Vernachlässigte hatten sich Wolle auf die Brustkörbe geklebt – oder auf die Brüste im Fall der Frauen. Die Raumfeuchtigkeit löste die Perücken an den Rändern ab; einige Interpreten schienen sich Pelztiere unter die Kostüme gesteckt zu haben, als wollten sie sich wärmen. Fast alle trugen mehrfache Halsketten, an denen Ikonen und persönliche Totems hingen: zwölf Typen von Kreuzen, Davidssterne, Hakenkreuze, Ankhs, Uhren, gemalte Miniaturen des Kings, Schrumpfköpfe, Bullenohren, Blitze über den Initialen TCB, Wieselschädel, Kristalle und Hühnerfüße. Als ich etwas gegen mein Bein stoßen spürte, trat ich zurück und sah nach unten; ein scheinbar geschlechtsloses Kind grinste mich an, während es seinen juwelenbesetzten Umhang zurechtrückte. Die Interpreten plauderten miteinander, verglichen Bein- und Hüftschwünge, studierten Karatefiguren, fuhren sich gegenseitig mit beringten Fingern über ihre Halstücher, kopfschüttelten zur Demonstration geeigneter Methoden der Haarverteilung; alle scannten den Saal und sahen sich nach dem Originalgetreuesten um.
    »E«, sagte ich »Alles in Ordnung?«
    »Bringt mich hier raus«, sagte er; sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Als ich meine Hand auf seine Schulter legte, spürte ich sein Zittern. »Bitte, Isabel, es ist zu viel. Bitte …«
    »Leverett«, sagte ich, »das ist zuviel Wahnsinn. Wir gehen …«
    »Wartet«, sagte er; mußte sich zu sorglos bewegt haben, denn sofort protestierte ein Interpret in seiner Nähe.
    »Paß auf, Väterchen«, sagte er zu Leverett in eindeutig slawischem Akzent. »Meine Schuhe.«
    »Entschuldigung«, begann Leverett; doch bevor er sich entfernen konnte, hatte der Interpret ihn am Kragen gepackt und hielt ihn zurück. »Lassen Sie mich bitte los …«
    »Heh, wer bist du?« fragte der Interpret. »Was machst du hier? Jungs, seht mal, wen ich hier habe. Ist ein Oberinterpret.«
    Der Interpret, den wir verärgert hatten, gehörte zu einer größeren Gruppe; als ich die Namensschilder unter der Anstecknadel mit dem Elvis-Kopf studierte, vermutete ich, daß er und seine Landsleute Bulgaren waren. Sie paßten kaum in ihre weißroten Kostüme; ihrer Größe nach zu urteilen, waren es Bergarbeiter, vielleicht auch olympische Gewichtheber. Als Leverett sich aus dem Griff des Interpreten zu befreien versuchte, schüttete ihm einer der anderen seinen Drink ins Gesicht; die umstehende Menge einschließlich des Kindes lachte.
    »Bitte, nicht …« sagte Leverett.
    »Entschuldige unser Ungeschick. Tut uns leid«, sagte der Anführer der Bulgaren und hob Leverett einhändig vom Boden. Viele Interpreten sahen jetzt zu, deren Augen mit Brillen verschiedenster Stile beschattet waren, aber ein einheitliches Grinsen zeigten. »Du mußt gestatten, daß ich dich trockne.« Während er Leverett hielt, hob er seinen anderen Arm und stieß ihm seinen Ellbogen ins Gesicht; Blut sickerte aus Leveretts Mundwinkel, und er schwankte, als der Interpret ihn losließ. Ich packte E an der Taille und begann ihn türwärts zu führen, darauf bedacht, niemanden anzurempeln.
    »Äußerst bedauerlich, Herr Oberinterpret. Wir wünschen dir gute Besserung.« Die Menge um uns herum lachte noch lauter und rückte näher, als wir uns zurückzogen. Malloy war genausogroß wie die meisten hier, obwohl nicht so breit; schwarzgekleidet wie er war, mußte er von hoch oben ausgesehen haben wie Fliegendreck auf einem Pastellfeld. Er legte Leverett eine Hand auf die Schulter und stellte sich zwischen die Interpreten und uns.
    »Wir gehen jetzt, Kumpel«, sagte er lächelnd, als ob ihn etwas befriedigte; nichts in seinem Ausdruck deutete auf die geringste Verärgerung hin. »Entschuldigt die Störung. Wir sind schon weg …«
    »Sehen Sie nicht, daß wir von Dryco sind?« sagte Leverett, dessen Hände seine Worte dämpften, da er sie sich gegen seine blutende Lippe hielt. Die meisten Interpreten reagierten überhaupt nicht auf das Wort; die Bulgaren jedoch horchten auf.
    »Dryco?« sagte der eine, mit dem Leverett aneinandergeraten war. »Mein Vater schuftete dreißig Jahre lang sklavenmäßig für Dryco-Fabrik. Dann hinausgeworfen wie Abfall, als er alt war.«
    »Dryco hat meine Bruder getötet«, sagte ein anderer. »Ihr haßt uns. Ihr haßt alle Menschen.«
    »Scheiß auf Dryco«, rief ein Dritter.
    »Das war eine direkte Erfahrung«, sagte Malloy und drängte uns weiter, als er ihnen den Rücken

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