Ambient 05 - Elvissey
quoll Rauch und rußte die Luft, brannte mir in den Augen und erstickte mich, als ich zu atmen versuchte.
»Wir können hier nicht bleiben«, sagte ich und drückte mir ein Taschentuch gegen das Gesicht. »Was auch immer auf der anderen Seite geschieht, wir müssen zurück …«
»Ich gehe nicht zurück«, sagte E und entfernte sich von uns. »Sie werden mich töten.«
»Du wirst hier sterben«, sagte ich.
»Vielleicht nicht …«
»Es ist sinnlos, du kannst nicht …« Eine Zeitung wehte vorbei und blieb an meinen Fersen hängen; als ich sie aufnahm, las ich die Schlagzeilen:
DEUTSCHLAND GREIFT WIEDER AN!
LIVERPOOL, MANCHESTER UND LEEDS
VON RAKETEN GETROFFEN
V3 AUF BRIGHTONER SCHULE – 189 TOTE
NAZI-HÖLLENFEUER VERURTEILT ***
›BOMBE MUSS WEG‹ SAGT LONDON
WENN SIE DIE BOMBE HABEN,
WERDEN SIE SIE BENUTZEN?
»Ich habe genug, Isabel«, sagte E. »Du kriegst mich nie wieder dahin zurück.« Eine Reihe Explosionen ging in der Nachbarschaft hoch, ließ den Stein unter meinen Füßen zittern; eine der Skulpturen kippte vom Giebel und zerschellte auf den Stufen. E drehte sich um und stieg hinunter.
»John«, sagte ich, als ich hinterherlief. »Halte ihn auf.«
Mein Mann reagierte sofort, bewegte sich schneller, als ich erwartet hätte. Wie er sich auf E warf, ihn packte und sie zusammen die Stufen hinunterrollten, erkannte ich seine Absicht. Als sie unten ankamen, stellte er sich über E auf und begann auf ihn einzuschlagen. Granateneinschläge illuminierten den Rauch, als wäre es ein Feuerwerk, und versprühten goldenen Regen, der auf der Haut brannte. Drei Krankenwagen rasten durch die Straße an der Nordseite der Kathedrale.
»Hör auf«, rief ich und packte Johns Kragen, um ihn wegzuzerren. »Du kannst nicht …«
»Notwendig«, sagte mein Mann und riß sich von mir los. »Er verletzte. Er wird leiden. Ich werde uns rächen.«
Die Kuppel der Kathedrale erschien wie ein zerbrochenes Ei, wenn die Suchscheinwerfer über die Ruine strichen. Silbrige Fische schwammen durch die Tinte, in der sie versunken war, funkelten auf, wenn die Strahlen die Wände durchschnitten; nach einem Moment der Irritation verstand ich, daß es Beobachtungsballons waren. Einer zerplatzte, als er harpuniert wurde, und versank langsam in der Tiefsee. »Laß ihn zufrieden. Wir müssen heimkehren …«
»Vergewaltiger!« schrie John und bearbeitete E weiter mit den Fäusten. »Einbrecher! Du hast uns ruiniert. Du hast uns ruiniert …« Als ich mich wieder dem Rücken meines Mannes zuwandte, hörte ich über mir das Summen einer riesigen Biene; unerwartet verstummte es, und wenige Sekunden später explodierten erneut die Ruinen südlich der Kathedrale; wir drei wurden kopfüber umgeworfen und mit Asche überschüttet. Als ich aufblickte, sah ich rote Blumen erblühen; die Sirenen wurden nicht von den Schreien übertönt.
»Komm …« sagte ich und zerrte mich gemeinsam mit E hoch; sein Kostüm war mit Ruß beschmiert, der seinen Glanz nahm und unser Emblem unkenntlich machte. Sein Gesicht war verletzt und geschwollen; in seinem Haar klebte Blut. John erholte sich ebenfalls; er fuhr mit der Hand sein Bein entlang, überprüfte seinen Sitz und machte sich zum Aufstehen bereit. »Komm E. Wir müssen gehen. Komm schon …« Er befreite sich von mir, bevor John ihn einholen konnte.
Er wich zurück und löste sich. »Nein, Isabel. Ich werde es nicht tun.«
»Du kannst nicht hierbleiben.«
»Das hier wird mir früher oder später passieren«, sagte er. »Geh du nur. Ich werde nicht …«
John stürzte los, trat E mit seinem unversehrten Bein in die Brust und stieß ihn in einen Haufen verkohlten Holzes. E wurde wütend; als er meinen Mann auf sich zukommen sah, nahm er eins der festeren Bretter, schwang es herum und zerbrach es am Schädel meines Mannes.
»Hört auf ! « schrie ich. »Ich werde euch beide hier zurück …!«
Keiner ließ sich durch meine Drohung beeindrucken; selbst jetzt würde ich nicht behaupten, daß ich auch nur einen von ihnen dort zurücklassen wollte. Als John fiel, stand E auf; ich blieb für eine scheinbar unbegrenzte Zeitspanne reglos, während sie aufeinander einschlugen und Funken und Ascheflocken auf uns herabregneten. Die Brände ringsherum wurden stärker und verbanden sich zu einer einzigen Feuersbrunst; als die Feuerwehrschläuche Feuer fingen, ließen die Männer sie fallen und liefen fort. Einer rief uns an und weckte mich aus der Trance. »Das ist ein Feuersturm!« schrie er.
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