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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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weiter, daß sie auf irgendeine Weise behandelt worden sei und nicht ganz in Ordnung war. Sie sah älter aus als ich, obwohl sie wie ihr Bruder weniger Jahre zählen mochte. Ihr Bizepse waren kräftiger als meine Schenkel, und sie hätte ihren Bruder ohne weiteres umwerfen können, wenn sie gewollt hätte. Vorhänge aus rostrotem Haar säumten ihre Augen, und ihr Lächeln täuschte Zufriedenheit vor.
    »Alles Freunde, Enid«, sagte er zu ihr und drehte sich herum, um uns zu anzusehen. Seine Stimmlage war höher, als seine Gestalt erwarten ließ. »Sprich!« sagte er zu Judy.
    »Die beobachteten Töpfe stehen kurz vor dem Überkochen, Seamus«, erwiderte Judy. »Unsere Tauben wollen ausfliegen. Trage letzte Wünsche vor und rühme so die Erwählten.«
    »Dann leih dein Ohr dem Wind und horch auf den Hurrikan. Reoptimierung verlangt Erlösung«, sagte er, während sein Blick sich irgendwo im Raum zwischen seinen und unseren Augen verlor. »Liebende lieben, die Reise beendend.«
    »Er wünscht alles Gute. Hofft, daß sich alles klärt, ehemannmäßig«, reformulierte sie für mich. Mit einer ausgebreiteten Hand winkte er uns heran. Ich bemerkte, daß dem rechten Zeigefinger das erste Glied fehlte. Ein Mikromonitor steckte in der Schreibtischoberfläche; ich schätzte, daß er den ganzen Tag in Alices blauen Spiegel starrte, auf Antworten wartete, sich vielleicht an alte Geheimnisse erinnerte und den Tag verstreichen ließ. Seine Schwester ruckte den Kopf herum, als hinge ihre Gestalt an Schnüren. Sie sprach, wobei ihr Gesichtsausdruck wie angenagelt schien.
    »Wer sind deine Freunde, Seamus?« fragte sie mit der Besorgnis einer Vierzehnjährigen. Mit kralligen Fingernägeln kratzte sie pinkfarbene Muster in ihre Beine.
    »Mitverschwörer«, sagte er. »Mitreisende in der Nacht.«
    »Sie gehen auf deine Schule?«
    Er nickte. »Unsere Gleise verlaufen parallel nebeneinander und treffen sich am Horizont.«
    »Sprich nach Belieben, Seamus«, sagte Judy mit einer Stimme, die Gehorsam befahl. Die Firma, die er führte, war Dryco, doch in ihrer Position gehörte Judy die Firma ebensogut: Sie hatte bisher alle Wünsche Mister O'Malleys erfüllt, während sie ihre eigenen Pläne verfolgte; sie bildeten eine perfekte Symbiose. »Leg alle Furcht ab. Halt deine Zunge nicht im Zaum. Die Blinden brauchen die Sicht des Einäugigen.«
    »Die Sicht beunruhigt jene, die zu klar sehen«, sagte sie. »Reiß die lügenden Augen heraus und wirf die trockenen Höhlen der Schädel über das schöne, grüne Land.«
    »Seamus?« unterbrach seine Schwester und rieb sich Speichelspuren aus ihren grinsenden Mundwinkeln. »Mittagszeit. Laß uns mittagessen gehen.«
    »Kusch dich, Enid«, sagte Mister O'Malley, drehte sich zu uns um und sprach mit sanfterer Stimme. »Seht euch um. Diese böse Welt verwirrt Herren und Diener gleichweise. Das Chaos umzäunt die Launen. Millionen klammern sich an die seit langem Toten, sie parasitieren an toten Wirten und vergehen wie Motten in unsichtbarem Feuer.«
    »Das Alte behindert das Neue, obwohl es den Tatsachen ins Gesicht springt«, übersetzte Judy. »Zeit zum Weitergehen.«
    »Der Elvii trockenmarkiger Irrglaube«, fuhr er fort, »zerreißt Geldbeutel und Hosentasche. Sie berufen ihren blöden Kongreß, ungeachtet unserer eigenen Sitzungen, und feuchterträumten Absolution von einem Unfähigen. Lichtblind erwählen sie die Dunkelheit.« Er schüttelte den Kopf. »Lemminge stürmen klippwärts, und da stehen wir fußstarr und bestaunen die kaltgraue Verschwendung.«
    »Die E-Narren atmen unsere wertvolle Luft«, sagte Judy. »Ablenkung der Massen mit Legenden, die Rückkehr verheißen. Vernunft verlangt, daß wir Entscheidungen treffen.« Ihre flüsternde Fußnote: »Meine Vernunft sagt, wir werden nicht.«
    »Alle Elvii bejammern ihr Schicksal«, sagte er. »Fasten sich an Phantasien knochendürr. Wühlen Oasen des Schmerzes in Wüsten der Bequemlichkeit.« Mister O'Malley blinzelte und starrte auf seinen Schreibtisch, als wäre er ein Teich, in dem unerwartet das Spiegelbild eines anderen erschienen wäre. »Dergleichen Papperlapapp ist bedenklich und hinderlich. Unsere gute Arbeit geht danklos dahin, und alle leiden. Wenn also die Konvertierten nicht rekonvertieren wollen, sollte es ihr Herr oder jemand in seiner Gestalt auf sich nehmen, nach unserer Pfeife zu tanzen. Ein Hauch Wahrschmerz ist notwendig, wenn nicht allzubald ein finsteres Drama unsere Bühne überschatten und unsere Zuschauer ermüden

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