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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Bevölkerung auf, bekehrten ohne Unterlaß, scholten ihre Arbeitskollegen, verteilten geistlose Traktate und Zines, blockierten Computerverbindungen, vandalisierten Wände und Bildschirme mit ihrer Dekonstruktion der Welt. Der Dialog mit Elvii wurde unweigerlich zum Monolog: Sie verstanden keinen anderen Bezugspunkt als E, und alles andere wurde nur mit seiner Größe gemessen und für mangelhaft befunden. Es genügte nicht, daß sie glaubten; in ihren Augen sollten alle ebenso verzweifelt nach ihm verlangen und alles andere ausschließen.
    Millionen wollten den King jetzt, wollten ihn ohne Unterlaß, voller Vertrauen und offen; aber welchen King? Die EK war eine Kirche, die zu vielen geworden war; ihre Zellteilung folgte unmittelbar auf die Empfängnis und schien bis in alle Ewigkeit zur Aufsplitterung, Teilung und Wiederaufsplitterung verdammt zu sein. Jede neue Konfession gebar neue Ungläubige, die zunächst entsetzt und dann entgegengesetzt waren: zetBe die Präarmyiten. In ihren Reihen gab es Seelen, die glaubten, E's Songs wären hoffnungslos durch die Begleitung von Schlagzeug verdorben worden. Andere versicherten, daß sich durch den Akt der Aufnahme eine undurchdringliche Brandmauer zwischen Sänger und Hörer senkte. Die Fundamentalisten der Sekte behaupteten unnachgiebig, daß sich zwischen dem kopfgehörten und kehlgesungenen Song ein Schatten zeigte: daß nicht einmal der King selbst seine tiefste Herrlichkeit verstand.
    Und die Präarmyiten waren nur eine Konfession von vielen: Unter den Elvii gab es die Heerscharen von Memphis, die Shake-Rattle-and-Roll-Sekte, die River Jordanaires, die Gracelander, die Vegassener, die Gladysianer, die EK Now or Never, die Erlösten Gläubigen der Stimme Unseres Herrn, die Kirche des Wahren Glaubens in Seiner Brennenden Liebe, und hundertdutzend mehr. Jede Sekte glaubte an ihren wahren King und betrachtete ihren Weg als einzig und allein. Ihre einzige Gemeinsamkeit bestand darin, daß der King aus welchem Grund auch immer und, wie sie annahmen, ohne besondere Aufforderung wiederkehren würde.
    Es gab keine bekennenden Elvii mehr im zehnten und letzten Kreis von Dryco wie in den Zeiten der Drydens. Ich vermutete, daß Judy beispielsweise vorgezogen hätte, wenn alle Elvii auf althergebrachte Weise neutralisiert worden wären. Aber die Reoptimierung verbot die Elimination und verlangte Beschwichtigung. Auf Vorschlag von Leverett, auf Befehl von Mister O'Malley und gegen Judys Wunsch hatte Dryco entschieden, daß, wenn E wiederkehrte, John und ich ihn bringen würden, in Gestalt des Gegenstücks der anderen Welt, damit er auf die Masse losgelassen werden und sie so besänftigen konnte, wenn er nicht gar ins tägliche Leben zurückkehrte, bis er völlig daraus verschwand. Das war die Theorie, wie wir sie gehört hatten. Seine genaue materielle Gestalt in jener anderen Welt immaterialisierte: Seine neuen Aufseher würden das gestohlene Bild in die gewünschte Form bringen und seine Anhänger auf jede Weise zufriedenstellen, aber zuallererst Dryco selbst.
     
    »Entkleidung«, hörte ich die Aufforderung meiner Ärztin. Ich tat es. »Auf den Tisch.«
    Ihre Gestalt flatterte wie eine Fahne im Wind und ließ nur verschwommene Vielfarben ohne Form erkennen. Selbst wenn die Ärztinnen persönlich monitorierten, blieb es unbestimmbar, ob die gesehenen Frauen auch die sprechenden waren. Dryco stellte ständig Statisten ein, wenn ihr Aussehen bessere Vorurteile versprach.
    »Arme nach oben«, artikulierte der Monitor der Krankenschwester. »Ausbreiten.«
    Gemäß dem Angestelltenplan wurden in Drycos Gesundheitskliniken Frauen nur von Frauen behandelt. Sie sezierten, untersuchten und tasteten weder mit geringerer Sympathie noch mit größerer Vorsicht als Männer. Ihre Namen waren unwesentliche Infos. Ich wußte niemals, wie ich sie nennen sollte, um eine unbeabsichtigte oder überhaupt eine Reaktion zu erhalten. Sobald ich enthüllt war, legte ich mich auf kaltes Metall, zuckte beim Brennen von Kopf bis Ferse zusammen und vermutete wie jedesmal, daß beim Verlassen der Klinik meine Zehe etikettiert, meine Augenlider zugenäht und ein Laken eng um mich geschlagen waren.
    »Einatmen.«
    Der Maschinensong erstieg fernöstliche Tonleitern, wärmte sich zu vibrierenden Modalitäten; dann heulte es gespenstisch auf. Diverse Utensilien kamen aus dem Tisch hervor und hielten sich zur Untersuchung bereit. Metallbleche wurden ausgefahren und umschlossen mich, damit ich während der

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