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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Ärztin. »Ruhe, bitte.«
    Ich nahm Schuhe und Unterkleidung und flüchtete aus dem Raum, ohne die Tür hinter mir gleitzuschließen. Ich wußte, daß ich nach dem folgenden Tag, wenn ich meine Testresultate abgeholt hatte, nie wiederkommen würde; Resultate für Tests, deren Zweck rätselhaft blieb. Ich schamerrötete, als ich in den Korridor einbog, hielt Tränen zurück, schuldvorwarf grundlos wie immer schon, wenn man gegen mich tätlich geworden war; so wie ich auch meine Erinnerung ausgeschaltet hatte, als der Polizist mich betatscht hatte; so wie als John abwesend gewesen war, als wir Liebe gemacht hatten; oder wie Judy mich gekannt hatte, bevor sie mich gekannt hatte. Aber die Vergewaltigung, die ich mir am heftigsten vorwarf, war diejenige, die nie stattgefunden hatte.
     
    Als ich später nachmittags die übrigen Momente unverplanter Zeit lustlos genoß und vor dem Starren unerwünschter Augen sicher war, studierte ich die Disk, die ich auf der Fötalkunstausstellung erworben hatte. Als ich die Stücke wiederansah, nahm ich sie halbvergessen wahr, als hätte ich sie vor Jahren und nicht vor Wochen gesehen. Ich studierte die Holodarstellungen, schätzte meine ersten Eindrücke neu ein, dechiffrierte Subtilitäten, die selbst nach Jahren Studiums kaum enthüllt werden konnten. Tanyas Stimme artikulierte deutlich über den Lautsprecher der Einheit, während ich alle Mundanitäten aus meinem Geist verdrängte und mich in ihrem Werk verlor.
    »Gewalt gegen andere ist Knittelvers, keine Poesie, wie entwickelt die Struktur auch sein mag oder wie sehr ihre Theorie auch trösten mag«, sagte sie. »Doch der Ästhetik der Gewalt gegen einen selbst wohnt eine unverrückbare Wahrheit inne, die die größte Kunst ihren Betrachtern zuteil werden läßt und dem Künstler die Erhabenheit des Schmerzes.«
    »Iz?« hörte ich John sagen.
    »Was ist, Schatz?« Ich schaltete die Einheit ab, um meine Ohren freizumachen und meinem Mann besser zuhören zu können. Er hatte bei dem Unfall schwerere Verletzungen als ich erlitten; das meiste war teilweise, wenn nicht vollständig künstlich gewesen, und so war sein Gesundungsprozeß genauso schnell wie meiner verlaufen. Er trat vorsichtig auf seinem erneuerten Bein auf; seine frischesten Narben waren vor einigen Tagen entfädelt worden. Seine Krylar-Implantate hatten seine Innereien so gut geschützt, daß er trotz des vollen Aufpralls nur wenige innere Verletzungen erlitten hatte. Bei der Rekonstruktion seiner knochenzerschmetterten Arme hatten die Ärzte sie verstärkt und neue Sehnen aufgezogen, so daß seine beiden Fäuste fortissimo schlagen konnten, wenn ihm jemals erlaubt würde, wieder zu spielen.
    »Ich habe unterbrochen«, sagte er und wandte sich zum Ausgang. »Vergib …«
    »Bleib und sprich«, sagte ich und klopfte auf den Stuhl neben mir. Er setzte sich mit Vorsicht und verlangsamte seine Bewegungen, um seinen Heilungsprozeß nicht zu beeinträchtigen. »Was besorgt?« fragte ich. »Hast deine Medikation unternommen?«
    »Eine Einzeldosis um halb.« Er hob seinen Kopf und zeigte seine älteste Narbe, die er als Teenager erhalten hatte; eine geweißte Furche, die normalerweise in den Falten seines Halses verborgen war, in unmittelbarer Nähe seiner Halsschlagader. »Ich kann nicht doppeldosieren, Iz«, sagte er. »Das geistleert mich. Das ist lebloses Leben …«
    »Es ist notwendig«, sagte ich. »Das ist bekannt.«
    »Es ist unmachbar, was auch immer verlangt wird«, sagte er und starrte auf Staubkörnchen, die im schwindenden Sonnenstrahl glitzerten.
    »Es ist nicht feindlich gemeint, John. Es ist ein vorübergehendes Erfordernis, wurde uns versichert …«
    »Ruhestand bekommt mir nicht«, sagte er. »Ich kann nicht reoptimieren, Iz. Ich hätte bleiben sollen …«
    »Es war nicht unsere Welt, John«, sagte ich. »Sie erschien dir momentan in verschiedenen Aspekten angenehm. Schließlich drohte sie uns zu verschlingen. Du warst dort nicht du.«
    Durch mein Fenster sah ich einen Werbezeppelin richtung Jersey vorbeigleiten; all seine Wölbungen waren mit den Emblemen Drycos verziert. Vom Leitwerk flatterte ein Transparent, das das Firmenmotto in zwölf Meter hohen Buchstaben wiederholte. Leverett hatte Drycos Versprechen erfüllt und unsere Gehälter verdoppelt, nachdem er versicherte, daß wir nicht nur unsere Aufgabe erfüllt hatten, sondern auch mit ihm zurückgekehrt waren. Als wir unserem Vorgesetzten vor zwei Tagen berichterstattet hatten, hatte ich die

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