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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Nichts läuft genau nach Plan. Denk nicht nach. Improvisiere.
    Der Killer aus Marseille eilte von der Kabine zu dem unteren Parkplatz und näherte sich dem Transporter mit der Plane. Er trug eine schwere, schallgedämpfte Pistole in der Hand. Ein heulender Windstoß fegte den Abhang und die Straße hinunter und traf Ambler voll in den Rücken.
    Und jetzt? Der Killer befand sich in einem Zustand der Übererregung, alle seine Sinne waren bis zum Zerreißen gespannt. Ambler musste das ausnutzen und ihn zu einer Überreaktion verleiten. Er suchte nach einem Stein oder einem anderen Wurfgeschoss, das er in hohem Bogen über die Straße in Richtung Parkplatz werfen konnte. Aber alle losen Gegenstände  – Kiesel, Kies und Steine – waren am eisigen Boden festgefroren. Ambler griff nach der Magnum des Texaners und holte eine schwere Patrone aus dem Patronenlager. Er warf das Projektil hoch in den Wind. Ein Windstoß erfasste die Patrone und trug sie mit sich. Als der Wind nachließ, fiel das Projektil zu Boden und landete auf der Plane des Jeeps. Der Aufprall war enttäuschend leise, nur ein kleines, harmloses »Plopp«. Aber das reichte, um bei dem Spezialisten eine extreme Reaktion auszulösen. Ohne Vorwarnung sank der Mann auf die Knie, stützte den rechten Arm mit dem linken und feuerte wieder und wieder auf den Jeep. Die schallgedämpfte Salve durchlöcherte fast lautlos die Plane und zerfetzte die Sitzpolster.

    Ambler beobachtete durch seinen Feldstecher, wie der Spezialist all seine aufgestaute Spannung an dem leeren Fahrzeug ausließ. Aber wo war der dritte Mann aus dem Savoy? Ambler sah ihn nicht. Der Mechaniker, den die hochgeklappte Motorhaube vor dem Wind schützte, schraubte immer noch an dem Laster herum. Er wusste ja, dass man ihm jede zusätzliche Minute Arbeitszeit bezahlen würde. In der Kabine saßen der Schweizer Grenzbeamte und sein französischer Kollege bibbernd auf ihren Plastikstühlen, tranken Kaffee und warfen sich mit gepflegter Langeweile wie zwei alte Damespieler Beleidigungen an den Kopf.
    Ambler schluckte. Jetzt kam alles auf das richtige Timing an. Er hatte ein paar Sekunden Zeit, unbemerkt die Straße zu überqueren, und spontan entschloss sich Ambler, das zu tun. Der Killer aus Marseille war grausam, unbarmherzig und vor allem ausdauernd. Wenn seine Beute es schaffen sollte, der Falle zu entkommen, dann würde er sie danach nur umso entschlossener zu Tode hetzen. Sein Stolz und seine Killerehre geboten es. Der Spezialist hatte sich diese Falle für ihn ausgedacht, also musste sie zuschnappen.
    Ambler wollte sich dafür revanchieren.
    Er rannte hinter den niedrigen Werkzeugschuppen aus Ziegelwerk und näherte sich dem Parkplatz. Der Spezialist hatte die Plane vollkommen zerfetzt und sich inzwischen davon überzeugt, dass niemand im Wagen war. Jetzt wich er kopfschüttelnd von dem Fahrzeug zurück, drehte sich um und stand Ambler genau gegenüber. Ambler hatte ihn im Visier der Magnum, die er dem Texaner abgenommen hatte, aber er zögerte. Er wusste, dass der laute Knall der Pistole die anderen herbeirufen würde. Statt den Killer mit Blei vollzupumpen, wollte er ihn mit der Waffe bedrohen.
    »Keine Bewegung«, sagte er.

    »Aber natürlich«, log der Spezialist in passablem Englisch.
    Erschieß ihn jetzt , schrie Amblers innere Stimme.
    »Du bist jetzt der Boss«, sagte der Spezialist einschmeichelnd. Aber Ambler wusste, dass er log. Und zwar noch bevor er sah, dass der Spezialist mit einer flüssigen Bewegung die Schusshand hob.
    »Was zum Teufel geht hier vor?«, dröhnte eine Stimme hinter ihnen. Ein Schweizer Zollbeamter war zum Parkplatz gelaufen, vielleicht hatte er das klatschende Geräusch der in den Jeep einschlagenden Geschosse gehört. Der Spezialist drehte sich beinahe neugierig um.
    »Was zum Teufel geht hier vor?«, wiederholte der Mann auf Französisch.
    Plötzlich erschien ein kleiner roter Punkt wie ein Brahmanenzeichen auf der Stirn des Mannes, und er sackte zu Boden.
    Einen Augenblick später – zu spät – drückte Ambler den Abzug ...
    Und nichts geschah. Zu spät schoss ihm durch den Kopf, dass er die Patrone aus dem Patronenlager der Magnum entfernt hatte. Er musste durchladen! Zu spät, denn der Spezialist war schon herumgefahren, und seine langläufige Pistole zielte ohne zu zittern direkt auf Amblers Gesicht. Jeder Anfänger hätte auf diese Entfernung getroffen, und der Spezialist aus Marseille war ein echter Profi.

Kapitel dreißig
    Amblers innere

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