Ambler-Warnung
Stimme schrie nun keine Warnungen mehr, sondern machte ihm schwere Vorwürfe. Hätte er nur auf seine Instinkte gehört, dann wäre der Schweizer noch am Leben, und er selbst würde nicht in eine Mündung blicken. Er schloss einen Moment die Augen und öffnete sie dann mit beinahe körperlicher Anstrengung wieder. Er musste sehen. Er musste sprechen. Sein Auftreten – seine Stimme, sein Blick – das waren seine letzten Waffen. Es kam auf jede Sekunde an.
»Wie viel zahlen sie dir?«, fragte er herausfordernd.
»Genug«, erwiderte der Spezialist gleichgültig.
»Falsch, mein Freund«, sagte Ambler. »Sie halten dich zum Narren.«
Ambler warf die schwere Pistole zu Boden – impulsiv, ohne es bewusst geplant zu haben. Paradoxerweise fühlte er sich sofort viel sicherer. Die Tatsache, dass er unbewaffnet war, verringerte den Druck auf den Killer, ihn sofort zu töten. Manchmal nutzt einem das Abgeben der Waffe mehr als die Waffe selbst.
»Halt’s Maul«, fuhr ihn der Spezialist an. Aber er war eitel, was sein Geschick bei Verhandlungen über Honorare anging. Ambler wusste, dass ihm die Demütigung ein paar zusätzliche Sekunden verschafft hatte.
»Nachdem du mich getötet hast, wirst du aus dem Weg geräumt. Diese Operation ist ein SRO. Verstehst du, was das heißt?«
Der Spezialist machte einen Schritt auf ihn zu, seine Reptilaugen betrachteten ihn mit der Wärme einer Kobra, die eine Maus fixiert.
»Ein sich selbst reinigender Ofen«, erklärte Ambler. »Eine Operation, bei der die Teilnehmer sich gegenseitig aus dem Weg räumen. So ein SRO ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wenn der Job erledigt ist, wird die Festplatte formatiert – Erase All.«
Der Killer aus Marseille starrte ihn mit einem Hauch von Interesse an.
Ambler lachte kurz und bellend auf. »Deswegen bist du der perfekte Kandidat dafür. Gerissen genug, um zu töten. Zu dumm zum Überleben. Die Idealbesetzung für einen SRO.«
»Deine Lügen langweilen mich.« Aber er hörte Ambler an, schon weil ihn die Kaltblütigkeit seines Opfers beeindruckte.
»Vertrau mir. Ich habe schon viele SROs angeordnet. Einmal haben wir einen Spezialisten wie dich auf eine Insel Malaysias geschickt, um dort einen Mullah umzulegen. Der Kerl hatte für ein paar Dschihad-Typen Geld gewaschen. Da er aber viele Anhänger hatte, durften wir keine Spuren hinterlassen. Also schickten wir einen Waffentechniker zu der kleinen Cessna, mit der wir den Spezialisten aufs Festland schicken wollten. Er präparierte sie mit einer Ladung Semtex, die bei einer bestimmten Flughöhe explodieren würde. Danach befahlen wir dem Spezialisten, den Waffentechniker auszuschalten. Und das tat er auch, kurz bevor er die Cessna bestieg. Drei minus drei ergibt null. Ganz einfache Rechnung. Funktioniert immer. Genau wie jetzt. Und das Minuszeichen siehst du erst, wenn es zu spät ist.«
»Du erzählst die tollsten Storys, um dein Leben zu retten«, sagte der Spezialist, um ihn zu prüfen. »Das tun Männer wie du immer.«
»Männer, die den Tod vor Augen haben? Das gilt für uns beide, mein Freund. Und ich kann es beweisen.« Der Blick, den Ambler ihm zuwarf, war eher verächtlich als furchtsam.
Verwirrung und Neugier huschten über die Miene des Killers. »Und wie?«
»Zuerst einmal mit der Kopie der Sigma-A23-44D-Übertragung, die ich in meiner Innentasche habe.«
»Keine Bewegung!« Die tief liegenden Augen des Spezialisten verengten sich zu schmalen Schlitzen, die dünnen Lippen formten ein eiskaltes Lächeln. »Hältst du mich für einen Anfänger? Du wirst überhaupt nichts tun.«
Achselzuckend erhob Ambler beide Hände auf Schulterhöhe, die Handflächen dem Killer zugewandt. »Dann nimm sie selbst aus meiner Tasche – zieh einfach den Reißverschluss auf. Ich halte meine Hände so, dass du sie sehen kannst. Du musst mich nicht beim Wort nehmen. Aber wenn du an deinem elenden, beschissenen Leben hängst, dann brauchst du meine Hilfe.«
»Das bezweifle ich sehr.«
»Glaub mir, es ist mir scheißegal, ob du lebst oder stirbst. Aber ich muss dir den Arsch retten, wenn ich überleben will.«
»Blödsinn.«
»Na gut«, erwiderte Ambler. »Du kennst doch den Spruch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wie wär’s mit einer Variante? Misstrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Oder hast du Angst vor der Wahrheit?«
»Eine falsche Bewegung und ich blas dir das Hirn raus«, knurrte der Spezialist und näherte sich Ambler grimmig. Er hielt die Pistole in der Rechten und
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