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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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griff mit der Linken nach dem Reißverschluss. Der metallene Zug befand sich versteckt unter dem Kragen von Amblers mit Fleece gefütterter Winterjacke. Erst beim zweiten Versuch schaffte es der Mann, den
Reißverschluss zu öffnen. Jetzt trat er noch näher zu Ambler und suchte im Futter nach der Innentasche. Die Haut des Mannes spannte sich wie eine Maske aus Hartgummi über seine Züge. Ambler roch seinen heißen, leicht säuerlichen Atem. Die beinahe lidlosen Augen waren kälter als die Schweizer Bergluft.
    Timing. Alles hing vom richtigen Timing ab. Ambler versetzte sich durch reine Willenskraft in einen Zustand entschlossener Gelassenheit, einen Zustand vollkommenen Gleichmuts. Wenn er zu früh oder zu spät handelte, würde er sterben. Rationales Denken konnte ihm nichts nutzen. Er musste seine Aufmerksamkeit von den Fußfesseln bewusster Überlegung befreien – alle Reflexionen, Gedanken, Berechnungen aus seinem Geist verbannen. Die Welt um ihn herum war verschwunden: Die Berge, die Luft, der Boden unter seinen Füßen und der Himmel über seinem Kopf existierten nicht länger. Die Realität bestand nur noch aus zwei Paar Augen und zwei Paar Händen. Die Realität bestand aus allem, was sich bewegte.
    Jetzt hatte der Spezialist entdeckt, dass auch die Innentasche mit einem horizontalen Reißverschluss gesichert war. Seine linke Hand war zu ungeschickt, um ihn aufzuziehen. Er zerrte immer auch am Stoff, in den der Reißverschluss eingenäht war, und bekam die Tasche nicht auf. Während er ungeduldig herumfummelte, sank Ambler ein wenig tiefer in die Knie: ein erschöpfter Mann, der sich noch kleiner machte.
    Dann schloss er langsam und resigniert die Augen, als leide er an schwerer Migräne. Der Killer hatte jetzt einen Gegner vor sich, der nicht nur seine Waffe weggeworfen hatte, sondern ihn nicht einmal mehr ansah. Manchmal nutzt einem das Abgeben der Waffe mehr als die Waffe selbst. Eine machtvolle unausgesprochene Versicherung – eine animalische Unterlegenheitsgeste.
Ein Hund, der seine Kehle darbietet, um einen stärkeren vom tödlichen Biss abzuhalten.
    Timing- frustriert zog der Spezialist seine ungelenke linke Hand zurück. Ambler beugte die Knie noch stärker und machte sich noch kleiner. Timing – der Spezialist hatte keine Wahl: Er musste die Waffe von der Rechten in die Linke nehmen, was nur eine Sekunde dauern würde. Sogar mit geschlossenen Augen hörte und spürte Ambler, wie der Spezialist das schnelle Tauschmanöver einleitete. Die Zeit verstrich in Millisekunden. Der Spezialist legte die linke Hand um die Pistole, sein Zeigefinger streckte sich nach dem Abzugsbügel aus und tastete nach dem geschwungenen Abzug, während Ambler die Knie noch ein bisschen stärker durchbog und wie ein müdes Kind den Kopf hängen ließ. Er dachte nicht mehr nach und überließ sich voll und ganz seinen Instinkten und ... jetzt jetzt jetzt jetzt!
    Ambler schnellte nach vorne, nach vorne und nach oben. Seine gebeugten Beine streckten sich mit immenser Kraft, und sein gesenkter Kopf knallte gegen den Unterkiefer des Killers. Er spürte und hörte, wie die Zähne des Mannes aufeinanderschlugen, wie der markerschütternde Schlag die Wirbelsäule bis zum Schädel hinaufwanderte und ihm Sekundenbruchteile später den Kopf in den Nacken riss. Reflexartig spreizte er die Finger; Ambler hörte, wie die Waffe über den Asphalt schlitterte und ... jetzt jetzt jetzt jetzt!
    Ambler beschrieb einen kraftvollen Abwärtsbogen, rammte dem Spezialist seinen Schädel ins Gesicht und brach ihm die Nase.
    Der Mann aus Marseille brach auf dem Boden zusammen. Der starre Schock auf seinem Gesicht wich einer bewusstlosen Erschlaffung. Ambler hob die Pistole auf und schlich durch den Wald am Zollhaus vorbei. Der Schnee
dämpfte seine Schritte. Dann kroch er wieder zur Straße. Jetzt hatte er die Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz überquert. Auf dem Seitenstreifen lagen inzwischen noch mehr Motorteile des Lebensmittellasters verstreut als vorher. Aber der dicke kleine Mechaniker beugte sich nicht länger in den Motorraum. Er befand sich etwa fünfzig Meter daneben, hielt die Hand ans Ohr gepresst und ging langsam in Amblers Richtung. Sein ölbeschmierter Overall spannte sich über seinem Bierbauch.
    Der Mann war unrasiert und hatte Hängebacken, sein Gesicht spiegelte jene Mischung aus Langeweile und Gereiztheit wider, die für französische Handwerker so typisch ist. Er pfiff ein Lied von Serge Gainsbourg, traf aber den

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