Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
Vom Netzwerk:
die durch den Schuss zersplitterte Windschutzscheibe konnte unliebsames Aufsehen erregen. Deshalb lenkte er den Gator in ein dichtes Zedernwäldchen und stellte den Motor ab.
    Kein Laut von irgendeinem Verfolger, keine Geräusche außer dem Knistern des abgestellten Motors und dem Rauschen des Verkehrs auf der nahe gelegenen Bergstraße.
    Ambler holte den PDA des Ermordeten aus der Jackentasche. Sie wollen Sie unter Vertrag nehmen. Das hatte der Mann geglaubt, aber war es eine List gewesen? Die Organisation, die den ehemaligen US-Geheimagenten angeheuert hatte, hatte sich offenbar bewusst im Hintergrund gehalten: Sicherheit durch Distanz. Trotzdem musste Ambler herausbekommen, was diese Leute wussten. Jetzt war die Reihe an ihm, sie »anzusprechen« - aber zu seinen Bedingungen und indem er die Identität des Ermordeten benutzte. Um die Schutzmechanismen der anderen Seite zu überwinden, musste er mit seiner Nachricht etwas anbieten ... oder androhen? Den Rest würde die Fantasie der Empfänger erledigen: Je unbestimmter seine Mitteilung war, desto besser.

    Nachdem er kurz überlegt hatte, tippte er mit dem Daumen eine knappe, aber sorgfältig formulierte Nachricht ein.
    Eine Begegnung mit der Zielperson, erklärte er, sei nicht wie geplant verlaufen, aber er sei jetzt im Besitz einiger »interessanter Dokumente«. Deshalb sei ein Treffen erforderlich. Er begnügte sich mit dieser Minimalerklärung, ohne sie weiter zu erläutern.
    Erwarte Anweisungen, schloss er und übermittelte seine Nachricht an den oder die Unbekannten am anderen Ende des Kryptosystems.
    Dann machte er sich zu Fuß auf den Weg zur Straße. In der Tarnjacke würde er wie ein Jäger aussehen, der vor der Jagdzeit Wildwechsel erkundet hatte. Das war in dieser Gegend ganz normal. Einige Minuten später hielt eine Frau Mitte fünfzig, die einen GMC mit überquellendem Aschenbecher fuhr, am Straßenrand und nahm ihn mit. Sie hatte viel auf dem Herzen und redete unablässig, bis sie ihn vor dem Motel 6 an der Route 173 absetzte. Ambler hatte ab und zu ein paar höfliche Worte eingeworfen, aber darauf hatte sie kaum geachtet.
    Fünfundsiebzig Dollar für ein Zimmer. Er fürchtete einen Augenblick lang, er könnte nicht genug haben, aber dann fiel ihm der Geldgürtel ein. Während er sich unter einem falschen Namen eintrug, kämpfte er gegen eine unbeschreibliche Erschöpfung an, die ihn zu überwältigen drohte und das vermutlich auch ohne die in seinem Körper verbliebenen Spuren von Carfentanyl geschafft hätte. Er brauchte ein Zimmer. Er brauchte Schlaf.
    Das Zimmer war so anonym, wie Ambler es sich nur hätte wünschen können: der Stil der Stillosigkeit. Als Erstes durchsuchte er hastig den Geldgürtel des Ermordeten. Er enthielt zwei Sätze Ausweispapiere; am nützlichsten war wohl ein Führerschein aus Georgia, wo die Computersysteme sehr
rückständig waren. Der Führerschein sah auf den ersten Blick ganz normal aus, aber als Ambler ihn zwischen den Fingern bog, merkte er, dass er dafür gemacht war, sich leicht ändern zu lassen. So würde es ein Leichtes sein, sich im nächsten Einkaufszentrum ein briefmarkengroßes Passfoto zu besorgen und in diesen Führerschein einzupassen, der bestimmt ohnehin gefälscht war. Größe und Augenfarbe des Ermordeten passten nicht, aber der Unterschied war nicht so dramatisch, dass er gleich auffallen musste. Morgen ... aber es gab so viele Dinge, die er morgen würde erledigen müssen. So viele Dinge, über die er in seinem erschöpften Zustand nicht einmal nachdenken konnte.
    Tatsächlich spürte er, dass er kurz davor war, ohnmächtig zu werden: Die Kombination aus körperlichem und seelischem Stress war nahezu überwältigend. Doch er zwang sich dazu, unter die Dusche zu gehen, stellte das Wasser so heiß an, wie er es aushalten konnte, blieb lange darunter und spülte Schweiß, Blut und Schmutz vom Körper, bis das kleine Stück Motelseife fast aufgebraucht war. Erst dann stolperte er aus der Duschkabine und fing an, sich mit den weißen Baumwollhandtüchern abzutrocknen.
    Es gab so vieles, über das er intensiv nachdenken musste - und trotzdem hatte er das eigentümliche Gefühl, das nicht tun zu dürfen. Nicht jetzt. Nicht heute.
    Er frottierte sein Haar energisch trocken, dann trat er vor den Spiegel über dem Waschbecken. Das Glas war beschlagen, und er erwärmte es mit dem Fön, bis ein Oval frei wurde. Er wusste gar nicht mehr, wann er sein Gesicht zuletzt gesehen hatte – wie viele Monate war

Weitere Kostenlose Bücher