Ambler-Warnung
beim ersten Anzeichen von Waffengebrauch sofort eingreifen zu können. Leung benutzte eine gepanzerte Limousine und übernachtete in Hotels, die von loyalen Anhängern bewacht wurden. Aber niemand würde auf die Idee kommen, dass die Gefahr unter dem harmlos aussehenden Podium lauern könnte.
Jetzt wurde es ernst.
Die wachsende Unruhe der Menge zeigte Tarquin, dass der Kandidat eingetroffen sein musste. Er sah auf, als Leung mit jugendlich elastischem Schritt das Podium betrat.
Jubelnder Beifall brandete auf, und der Kandidat strahlte. Aber er stand noch nicht am vorderen Rand des Podiums, was zwingend erforderlich war. Um zu vermeiden, dass Unbeteiligte zu Schaden kamen, war der Sprengsatz so konstruiert, dass die Wirkung der Ladung scharf gebündelt wurde. Tarquin wartete, während er das Handwerkszeug eines Journalisten – Notizblock und Kugelschreiber – als Requisiten bereithielt.
Erwarte Ihr Signal, sagte die metallische Stimme in seinem Ohrhörer drängend. Das Signal, das den Tod brachte.
Erwarte Ihr Signal.
Das Geräusch verwandelte sich in ein anderes, während die Umgebungstemperatur abzufallen schien, und er hörte das leise Geräusch wieder – dieses Geräusch, das ihn, wie er jetzt erkannte, im Hier und Jetzt, Tausende von Meilen von jener Welt entfernt und über zwei Jahre später, geweckt hatte.
Ambler warf sich in seinem Motelbett herum, dessen Laken zerwühlt und schweißnass waren. Das Geräusch: ein
Summen auf dem Nachttisch. Das BlackBerry des Ermordeten vibrierte und zeigte damit an, dass eine Nachricht eingegangen war. Ambler griff danach, drückte einige Knöpfe und überzeugte sich davon, dass seine E-Mail beantwortet worden war. Die Nachricht war kurz, enthielt aber präzise Anweisungen. Das Treffen sollte um 14.30 Uhr auf dem Philadelphia International Airport stattfinden. Terminal C 19.
Diese Leute waren clever. Sie nutzten das Sicherheitspersonal und die Metalldetektoren des Flughafens für ihre eigenen Zwecke, um die Garantie zu haben, dass er unbewaffnet kommen würde. Dass der Treff an einem Ort mit starkem Publikumsverkehr stattfinden würde, bot zusätzlichen Schutz vor gewalttätigen Aktionen von seiner Seite. Andererseits würden am frühen Nachmittag die wenigsten Leute auf irgendwelche Flüge warten. In einem weitgehend leeren Teil des Terminals – und Amber war sich sicher, dass sie C 19 eigens deshalb ausgewählt hatten – würden sie relativ allein sein. Isoliert genug, um ungestört zu sein; öffentlich genug, um sicher zu sein. Gut gemacht. Sie wussten genau, was sie taten. Keine sonderlich beruhigende Einsicht.
Clayton Caston saß am Frühstückstisch und trug wie gewöhnlich einen seiner zehn oder zwölf fast austauschbaren grauen Anzüge. Als er sie aus dem Katalog des Herrenausstatters Jos. A. Bank bestellt hatte, waren sie um fünfzig Prozent herabgesetzt gewesen, sodass der Preis ihm sehr annehmbar erschienen war, und das Mischgewebe aus Wolle und Polyester war weitgehend knitterfest, was sehr praktisch war. »Einreihiger Geschäftsanzug für alle Jahrezeiten«, hatte im Katalog gestanden: ein »Ganzjahresmischgewebe«. Caston nahm das Versandhaus beim Wort; er trug diese Anzüge jahraus, jahrein. Ebenso seine Ripskrawatten: rot mit grünen Streifen
oder blau mit roten Streifen. Ihm war bewusst, dass einige seiner Kollegen diese Art von Uniform für exzentrisch hielten. Aber was nutzte ein Wechsel nur um des Wechsels willen? Man fand etwas, das seinen Zweck erfüllte, und man blieb dabei.
Das galt auch für sein Frühstück. Er mochte Cornflakes. Er aß jeden Morgen Cornflakes, und das tat er auch jetzt.
»Red keinen Scheiß!«, rief seine sechzehnjährige Tochter Andrea aus. Sie meinte natürlich nicht ihn; sie sprach mit ihrem ein Jahr älteren Bruder Max. »Chip ist krass . Außerdem steht er auf Jennifer, nicht auf mich – Gott sei Dank!«
»Du bist so leicht zu durchschauen«, sagte Max unerbittlich.
»Nimm ein Grapefruitmesser, wenn du Grapefruit schneiden willst«, sagte seine Mutter milde tadelnd. »Dazu haben wir sie nämlich.« Sie trug einen Frotteebademantel, ihre Füße steckten in Frotteepantöffelchen, ihr Haar wurde von einem Frotteeband zusammengehalten. Für Clay Caston war sie noch immer ein Wunder der Lieblichkeit.
Max nahm wortlos das gekrümmte Messer und zog weiter seine Schwester auf. »Chip hasst Jennifer, und Jennifer hasst Chip, und dafür hast du gesorgt, weil du Chip erzählt hast, was Jennifer über ihn zu T.
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