Ambler-Warnung
Gegenstände, die er vielleicht würde brauchen können. Dann nahm er dem Mann den Geldgürtel ab und schnallte ihn sich selbst um; die meisten Söldner führten größere Barbeträge mit, und dieses Geld würde er gut brauchen können.
Die Beretta blieb irgendwo im Dornengestrüpp unerreichbar liegen.
Was das Gewehr betraf, würde es Ambler wegen seiner Sperrigkeit zumindest kurzfristig eher behindern – und im Augenblick konnte er nur kurzfristig planen. Er zerlegte die Waffe, nahm die restlichen sechs Betäubungspfeile heraus und warf sie ins Dickicht. Erst dann löste er seinem Gefangenen die Handfesseln und warf ihm die beige Jacke zu. »Damit Sie nicht erfrieren«, sagte er.
Ambler spürte ein leichtes Brennen an der rechten Halsseite – ein Mückenstich? – und schlug geistesabwesend mit der Hand danach. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihm klar wurde, dass es um diese Jahreszeit keine Stechmücken gab, und inzwischen hatte er gemerkt, dass er Blut an den Fingerspitzen hatte. Also kein Insekt. Und kein Betäubungspfeil.
Eine Gewehrkugel.
Er warf sich herum. Der Mann, dessen Fesseln er eben gelöst hatte, war zusammengebrochen. Aus seinem Mund quoll hellrotes Blut, und er hatte bereits den starren Blick eines Toten. Die Kugel eines Scharfschützen – das Geschoss hatte Amblers Hals gestreift – musste durch seinen Mund eingetreten und am Hinterkopf ausgetreten sein. Ambler hatte beschlossen, den Mann zu verschonen. Jemand anders hatte es für nötig gehalten, ihn zum Schweigen zu bringen.
Oder war die Kugel für Ambler bestimmt gewesen?
Weg, nur weg von hier! Ambler hetzte atemlos durch den Wald davon. Dass er die beige Jacke verschenkt hatte, konnte ein Todesurteil gewesen sein, weil sie den anderen als Zielperson gekennzeichnet hatte. Der weit entfernte Scharfschütze würde sich an der Farbe orientiert haben. Aber wozu jemanden damit beauftragen, ihn »anzusprechen«, wenn der Plan vorsah, ihn zu liquidieren?
Er musste die Sourlands verlassen. Der Honda war bestimmt schon entdeckt worden. Wo konnte er sich ein Fahrzeug beschaffen? Er erinnerte sich daran, eine Viertelmeile hügelaufwärts einen mit einer Plane abgedeckten Gator stehen gesehen zu haben. Das war ein niedriges grünes Allradfahrzeug, das fast jedes Gelände bewältigen konnte: Sümpfe, Bäche, Hügel.
Als Ambler das Fahrzeug erreichte, überraschte ihn nicht, dass der Zündschlüssel steckte. In diesem Teil der Welt war es noch immer üblich, seine Haustür nicht abzuschließen. Der Motor sprang sofort an, und Ambler raste mit Vollgas durch den Wald davon. Er hielt sich am Lenkrad fest, wenn Felsbrocken den Gator springen ließen, und duckte sich tief, wenn herabhängende Zweige im Weg waren. Der kleine Allradwagen walzte mühelos über Brombeergestrüpp und durch Dickichte; solange zwischen den Bäumen genug Platz war, konnte das Unterholz ihn nicht aufhalten. Auch felsige Gräben und Bachbetten nicht. Die Fahrt war holperig und schlingernd, als säße er auf einem noch nicht ganz eingerittenen Pferd, aber der Bodenkontakt war immer zuverlässig.
Plötzlich explodierte die Windschutzscheibe des Gators, wurde durch ein Spinnennetz aus Sprüngen fast undurchsichtig.
Die zweite Kugel hatte endlich getroffen.
Er machte ruckartige, willkürliche Lenkbewegungen, weil er hoffte, dass die Sprünge des Fahrzeugs auf dem holperigen Untergrund es dem Schützen erschweren würden, ihn im Fadenkreuz zu behalten. Gleichzeitig arbeitete sein Verstand fieberhaft, irrte durch eine Wildnis aus Ungewissheiten. Die Schusslinie sagte ihm, dass der Scharfschütze sich irgendwo jenseits des Sees befinden musste – vielleicht im Gebiet um McGruders Holzhaus. Oder in der Nähe des Vermessungspunkts
am Fuß des dahinter ansteigenden Hügels. Oder – er suchte in Gedanken den Horizont ab – auf dem Getreidesilo von Steptoes Farm, die noch etwas höher lag. Ja, dort wäre er in Stellung gegangen, wenn er diesen Auftrag gehabt hätte. Für ihn lag Sicherheit in der Höhe – den Abhang hinauf zu dem Hügelkamm, hinter dem das Gelände wieder sanft abfiel. Dort führte eine asphaltierte Straße entlang. Wenn er sie erreichte, war er in der Senke vor dem Scharfschützen sicher.
Als er Vollgas gab, zeigte sich, dass der Gator die steilsten Hänge der Sourland Mountains mühelos überwinden konnte; zehn Minuten später hatte er die Straße erreicht. Sein Fahrzeug war jedoch zu langsam, um mit normalem Autoverkehr Schritt halten zu können, und
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