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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Sequenzoperation aber einfach um. Sie waren der Schwanz, der mit dem Hund wedelt. Sie rüsteten Lockvögel mit fabrizierten Informationen aus, die speziell an die US-Geheimdienste gerichtet waren. Die Sequenzoperation funktionierte, allerdings rückwärts. Die Gier, mit der die US-Agenten sich auf die gelieferten Informationen stürzten, behinderte sie bei ihren ursprünglichen Aufträgen. So wurden die Jäger zu Gejagten.
    Ambler hatte keine Ahnung, ob er gerade in eine solche Operation verwickelt wurde und ob er sie womöglich zu seinem Vorteil nutzen konnte. Ein sehr gefährliches Spiel. Aber welche Alternative blieb ihm?
    »Na gut«, sagte Ambler, »ich höre.«
    »Wir treffen uns morgen in Montreal«, sagte der Mann. »Benutzen Sie einen falschen Ausweis. Der, den Sie von Osiris bekommen haben, sollte diesen Zweck erfüllen. Aber die Wahl liegt bei Ihnen.« Es folgten ausführlichere Instruktionen: Ambler sollte noch heute Morgen nach Montreal-Dorval aufbrechen.

    Als er gerade das Zimmer verlassen wollte, klingelte das Moteltelefon: Laurel war am Apparat. Sie klang wieder ruhig und gefasst, aber in ihrer Stimme lag Sorge – Sorge um ihn, nicht um sich selbst. Er erklärte eilig, dass ihn Osiris’ Controller angerufen hatte und er eine Verabredung einhalten musste.
    »Ich will nicht, dass du gehst«, sagte sie, und er hörte sowohl ihre Angst als auch ihre Entschlossenheit.
    »Du hast Angst um mich. Ich habe auch Angst. Aber der Gedanke, nicht hinzugehen, jagt mir noch mehr Angst ein.« Er schwieg einen Augenblick. »Ich bin wie ein Fischer in einer Jolle, der einen dicken Brocken an der Angel hat. Es könnte ein Schwertfisch sein oder ein Weißer Hai. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht wissen, aber ich wage nicht, loszulassen.«
    Sie schwieg lange, dann sagte sie: »Selbst, wenn dein Boot dabei kentern könnte?«
    »Ich kann nicht loslassen«, sagte Ambler. »Selbst wenn es kentert.«
     
     
    Discovery Bay, New Territories
     
    Die luxuriöse Hongkongvilla hatte zwölf geschmackvoll ausgestattete Zimmer, deren Einrichtung wie das Haus aus den zwanziger Jahren stammte. Elegante, französische Möbel aus vergoldetem Holz und Damast, Wände, die mit changierendem Seidenstoff bezogen waren. Aber das Schönste war die mit Blumen bepflanzte Terrasse, von der man die Aussicht auf die ruhigen Wasser der Discovery Bay genoss. Besonders zu dieser Tageszeit, wenn das Meer im rosigen Schein der Abendsonne glänzte. An einem Ende der Terrasse saßen zwei
Männer an einem Tisch und speisten. Das weiße, leinene Tischtuch war mit einem Dutzend erlesener Speisen bedeckt, rare Köstlichkeiten, von fachmännischer Hand zubereitet. Der silberhaarige Amerikaner mit der hohen Stirn atmete tief die Aromen der Gerichte ein, die aus den Schüsseln aufstiegen, und dachte bei sich, dass in vergangenen Jahrhunderten ein solches Bankett nur am chinesischen Kaiserhof serviert worden wäre.
    Ashton Palmer probierte ein Gericht aus Küken der Bergnachtigall; die Knochen der winzigen Singvögel waren noch so weich wie die Gräten von Sardinen und verliehen dem Gericht eine angenehme Textur. Genau wie bei dem Ortolan-Gericht, das Escoffier zur Vollendung gebracht hatte – ebenfalls ein kleiner Singvogel, den französische Feinschmecker am Schnabel hielten und hinter einer Serviette verborgen am Stück verspeisten –, aß man das Küken mit einem Bissen, zerkaute die embryoweichen Knochen und genoss den leichten Kauwiderstand, der an die zarte Haut von Softshell-Crabs erinnerte. Auf Mandarin hieß diese Speise chao niao ge – gebratenes Vogelgezwitscher.
    »Exorbitant, finden Sie nicht?«, sagte Palmer zu seinem einzigen Tischnachbarn, einem Chinesen mit breitem wettergegerbtem Gesicht und harten stechenden Augen.
    Der Mann, der seit vielen Jahren als General in der Nationalen Volksbefreiungsarmee diente, lächelte. Seine Lederhaut legte sich dabei in tiefe Furchen, die von den Wangen bis zum Kinn reichten. »Exorbitant«, stimmte der Mann zu. »Aber von Ihnen erwartet man schließlich nichts Geringeres.«
    »Sie schmeicheln mir«, erwiderte Palmer. Die Dienstboten standen mit verständnislosem Lächeln neben dem Tisch. Denn Palmer sprach weder Mandarin noch Kantonesisch mit
General Lam, sondern den Hakka-Dialekt, der im Heimatdorf des Generals gesprochen wurde. »Aber ich weiß, dass Sie ebenso wie ich feine Nuancen zu schätzen wissen. Dieses Gericht, chao niao ge, wurde meines Wissens zum letzten Mal in den letzten Jahrzehnten

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