Ambler-Warnung
der Qing-Dynastie serviert. Ich fürchte, Ihre Freunde in Wanshoulu« – er bezog sich auf einen schwer bewachten Vorort von Peking, in dem viele chinesische Spitzenbeamte lebten – »oder in Zhongnanhai würden es als dekadent bezeichnen.«
»Sie essen lieber bei Burger King«, grunzte General Lam. »Und trinken Pepsi-Cola aus silbernen Kelchen.«
»Ekelhaft«, sagte der amerikanische Wissenschaftler. »Aber leider nur zu wahr.«
»Ich werde allerdings nur selten nach Zhongnanhai gebeten«, bemerkte der General.
»Wenn es nach Liu Ang ginge, dann würden alle Krieger in die Provinz verbannt werden. Er betrachtet die NVBA als ihm feindlich gesinnt, und deshalb steht sie ihm auch feindlich gegenüber. Aber die chinesische Geschichte hat gezeigt, dass sich im Exil die besten Gelegenheiten ergeben.«
»Das trifft jedenfalls auf Sie zu«, warf der General ein.
Palmer lächelte, widersprach jedoch nicht. Seine Karriere war in Bahnen verlaufen, die er sich als junger Student nicht ausgesucht hätte. Aber das wäre ein Fehler gewesen. Als er als frisch gebackener Dr. phil. im Planungsstab des Außenministeriums angefangen hatte, bezeichneten Insider ihn bald als den nächsten Henry Kissinger – und als den vielversprechendsten jungen Politikwissenschaftler seiner Generation.
Aber wie sich bald herausstellte, hatte er eine Eigenschaft, die einer Karriere in Foggy Bottom nicht gerade förderlich war: Er strebte nach der Wahrheit, wie er es selbst gern ausdrückte.
Beinahe über Nacht wurde aus dem vielgepriesenen Wunderkind ein ausgestoßenes Enfant terrible. Die Mittelmäßigen sicherten sich ihre Herrschaft, indem sie den ausstießen, der ihre bequemen Vorurteile in Zweifel zog. In mancher Hinsicht war sein eigenes Exil tatsächlich das Beste gewesen, was ihm je widerfahren war, dachte Palmer. Im »Aufstieg und Fall des Ashton Palmer«-Artikel in The New Republic stand jedenfalls, dass er sich nach seinem Rausschmiss aus den Korridoren der Macht in den Elfenbeinturm der Wissenschaft »zurückgezogen« habe. Aber es war allenfalls ein strategischer Rückzug gewesen, eine Neuordnung seiner Kräfte. Denn seine Jünger – von seinen Feinden abfällig Palmeriten genannt – stiegen nach und nach in Machtpositionen im Verteidigungs- und Außenministerium auf oder machten Karriere im diplomatischen Dienst. Auch in den hervorragend vernetzten Washingtoner Thinktanks waren sie zahlreich vertreten. Er hatte ihnen absolute Diskretion eingebläut, und sie hatten ihre Lektionen gut gelernt. Seine Schützlinge besetzten inzwischen entscheidende Positionen. Die Jahre vergingen, und ihr Guru wartete wie ein pensionierter Cincinnatus auf seine Chance.
Jetzt würde er nur noch wenige Tage warten müssen.
»Ich freue mich«, sagte Palmer, »dass wir, was Zhongnanhai angeht, immer noch einer Meinung sind.«
Der General berührte seine rechte und dann die linke Wange und antwortete mit einem Hakka-Ausdruck: »Rechtes Auge, linkes Auge.« Das Idiom bedeutete, dass sich zwei Personen in ihren Ansichten so nahe standen wie die zwei Augen eines Mannes.
»Rechtes Auge, linkes Auge«, wiederholte Palmer leise. »Natürlich sind sehen und handeln nicht dasselbe.«
»Das ist wahr.«
»Ich hoffe, Sie hegen keine Zweifel an unserer Mission«, sagte Palmer schnell, denn er meinte, bei dem General ein leichtes Zögern wahrzunehmen.
Lam antwortete wieder mit einem Hakka-Ausdruck: »Der Wind kann den Berg nicht bewegen.«
»Ich freue mich, das zu hören«, erwiderte Palmer. »Denn das, was vor uns liegt, wird unsere Entschlossenheit unbarmherzig prüfen. Es wird Wind aufkommen und er wird zum Orkan anschwellen.«
»Was wir tun werden«, sagte der General, »muss getan werden.«
»Manchmal ist ein großer Umsturz nötig, um langfristige Stabilität zu erreichen«, sagte Palmer.
»Sie sagen es.« Der General führte das würzige Nachtigallküken zum Mund. Seine Augen verengten sich, während er den knusprigen Leckerbissen genoss.
»Man muss einen Baum fällen, um den Reistopf zum Kochen zu bringen«, sagte Palmer. Ebenfalls ein Hakka-Ausdruck.
Der General war nicht länger erstaunt darüber, wie gut sich Palmer in der Sprache seiner Heimatregion ausdrückte. »Der Baum, von dem wir sprechen, ist beileibe kein gewöhnlicher Baum.«
»Es geht auch nicht um einen gewöhnlichen Reistopf«, parierte der Wissenschaftler. »Ihre Leute wissen, was sie zu tun haben. Sie müssen im richtigen Moment handeln und können sich keine Fehler
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