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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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leisten.«
    »Natürlich«, sagte General Lam.
    Der silberhaarige Wissenschaftler sah ihn mit gemessenem Blick an. »Es bleiben uns nur noch sechs Tage«, sagte er mit diskreter Betonung. »Alle müssen ihre Rollen perfekt spielen.«
    »Fehlerlos«, sagte der General. Sein wettergegerbtes Gesicht
spiegelte Entschlossenheit wider. »Schließlich geht es darum, den Lauf der Geschichte zu verändern.«
    »Und wir sind uns einig darüber, dass der Lauf der Geschichte viel zu wichtig ist, als dass man ihn sich selbst überlassen könnte, nicht wahr?«
    Der General nickte feierlich und hob erneut den Zeigefinger: »Rechtes Auge, linkes Auge«, sagte er leise.

Kapitel zwölf
    Montreal
     
    Der Mann, der Ambler auf dem Mobiltelefon angerufen hatte, befahl ihm, sich um elf Uhr vormittags an der nordwestlichen Ecke des Dorchester Square einzufinden. Ambler war etwas zu früh dran. Er fuhr mit dem Taxi einen Block weiter zur Ecke Rue Cypress und Rue Stanley und erkundete die Gegend. Das Sun-Life-Gebäude am Dorchester Square, ein Beaux-Arts-Ungetüm, war einst das höchste Gebäude im gesamten britischen Empire gewesen. Heute wirkte es neben den modernen Wolkenkratzern, die sich um den Dorchester Square häuften, beinahe zwergenhaft. Es standen wirklich viel zu viele Gebäude am Dorchester Square, und deshalb machte der Treffpunkt Ambler nervös.
    Mit seinen Einkaufstüten vom Place Montreal Trust und der Kamera um den Hals wirkte er hoffentlich wie ein ganz gewöhnlicher Tourist. Nachdem er eine Zeit lang in den Seitenstraßen herumgelungert und sich davon überzeugt hatte, dass auf dem Dorchester Square selbst niemand Verdächtiges stand, wagte er sich auf den Platz. Die Gehwege waren säuberlich vom Schnee gesäubert worden – mehrere kerzengerade Pfade, die auf einen zentralen Kreis zuliefen, auf der die Statue eines gewissen Sir John A. MacDonald stand, offenbar Kanadas erster Premierminister. Ein weiteres Monument würdigte Kanadas Rolle im Burenkrieg. Nicht weit davon entfernt lag ein katholischer Friedhof, auf dem die Opfer einer Choleraepidemie aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert begraben lagen. Die Grabsteine waren verwittert, ihr
von Moosen und Flechten verdunkeltes Grau hob sich scharf von dem weißen Schnee ab. Über alldem erhob sich das riesige Gebäude der Imperial Bank, ein Gigant aus Stahl und Beton. Vor dem Dominion Square Building, einem mächtigen Neo-Renaissance-Bauwerk, hielt gerade ein roter Bus mit der Aufschrift LE TRAM DU MONTREAL.
    Ambler hatte die Gegend zwar gründlich abgesucht, aber ihm war klar, dass die Situation von einer Sekunde auf die andere kritisch werden konnte. Hatte der Controller von Osiris den Treffpunkt deshalb ausgesucht? Ambler hob sich die Kamera vors Gesicht, zoomte und betrachtete die vielen Hundert sichtbaren Fenster in den umliegenden Bürotürmen. Die meisten ließen sich gar nicht öffnen; und die anderen blieben wegen des Wetters heute auch geschlossen. Obwohl er sich warme Kleidung angezogen hatte, fror er allmählich an den Ohren, denn die Temperatur lag knapp unter dem Gefrierpunkt. Er hörte energische Schritte, die sich auf ihn zubewegten. Er fuhr herum.
    »Entschuldigen Sie, Mister.«
    Vor Ambler stand ein älteres Ehepaar. Beide trugen leuchtend bunte Daunenjacken, ihr weißes Haar war vom Wind zerzaust.
    »Ja?«, sagte Ambler. Er versuchte, uninteressiert und gelangweilt zu klingen.
    »Würden Sie vielleicht ein Foto von uns machen?« Der Mann reichte ihm eine gelbe Wegwerfkamera, die es in jeder Drogerie zu kaufen gab. »Vor Sir John MacDonald, okay?«
    »Aber gern«, sagte Ambler, dem sein Misstrauen sehr peinlich war. »Sind Sie Amerikaner?«
    »Aus Sacramento. Aber wir waren in unseren Flitterwochen schon einmal hier. Und jetzt raten Sie mal, wie lange das her ist.«
    »Keine Ahnung.« Ambler heuchelte Interesse.

    »Vierzig Jahre!«, quiekte die Ehefrau.
    »Gratuliere«, sagte Ambler, und drückte auf den Auslöser oben an der Kamera. Als er einen Schritt nach vorn trat, um den Ausschnitt zu verändern, bemerkte er etwas. Jemand war hinter die Statue gehuscht, und zwar verdächtig schnell, als wolle er unbemerkt bleiben. Ambler war überrascht. Das war extrem amateurhaftes Verhalten. Er hatte es doch wohl kaum mit Amateuren zu tun, oder?
    Er gab dem Ehepaar die Wegwerfkamera zurück und eilte dann sofort mit großen Schritten auf den Sockel der Statue zu.
    Der junge Mann – nein, der ungefähr vierzehnjährige Junge -, der sich dahinter versteckt

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