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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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noch nicht ausgetrunken, und ich dachte, sie mache Witze, was die Renovierung anging. Als dann aber Bartosz mit den Rollen und dem Schleifgerät und einer saumäßigen Laune ankam, wusste ich, dass sie es ernst meinte. Kaum hatte Bartosz den ganzen Kram im Flur abgestellt, trank Bronka in einem Zug ihren Tee aus, knallte die Tasse auf den Tisch und sagte, dass wir die Wohnung in ein paar Tagen nicht mehr wiedererkennen würden; sie würde auch den Klempner vorbeischicken und diese verdammten, tropfenden Hähne reparieren lassen, jetzt nämlich würden andere Zeiten anbrechen, wir sollten nur sehen. Sie klopfte mir auf die Schulter, Albina verschwand in ihr Zimmer, das sie alleine renovieren wollte, und wir anderen fingen mit Rokas’ Zimmer an, räumten alle Bildbände und Fotoapparate und was da sonst noch herumlag, in Kartons und trugen sie hinaus in den Flur.
    Mich beruhigte ein wenig, dass das Zimmer tatsächlich so staubig und verkommen war, dass Rokas kaum viel Zeit dort verbracht haben konnte. Als ich Renia nochmals nach ihm fragte, winkte sie nur ab, verteilteweiter Plastikplanen auf dem Boden und sagte, der sei sowieso nie zu Hause, der wohne in seiner Kunst, wenn man das so sagen könne, von Muße oder Schlaf halte er nicht besonders viel. Demnächst könne ich mir ja selber von ihm ein Bild machen, lange könne es nicht mehr dauern, dann würde er sich schon wieder blicken lassen, er plane nämlich gerade ein größeres – Projekt.
     
    Wenige Stunden später hatten wir das Zimmer in einen Traum aus Apricot verwandelt. Das sei eben die einzige Farbe gewesen, die noch vorrätig war, behauptete Bronka, als sie Albinas skeptischen Blick bemerkte. Mir war die Farbe relativ egal, ich wollte vor allem Bartosz loswerden, der immer wieder in seinem Putzfuror innehielt und mich fragte, wie es mir gefalle und ob ich mich schon eingelebt habe, Hauptsache, ich fühle mich wohl, und Hauptsache, alles geschehe nach meinen Wünschen. Nach einer halben Stunde ärgerte ich mich so sehr über ihn, dass ich ihn fragte, warum er nicht einfach zurück in die Wüste gehe. Daraufhin war er eine Weile still.
    Als Bronka das Zimmer in Richtung Küche verließ, rollte Renia mit den Augen und sagte, dass ich so etwas wie ein Wunder vollbracht habe. Die Myszas selber seien hier schon vor Jahrzehnten ausgezogen. Aber das habe vielleicht auch an den Erinnerungen gelegen, nicht nur am Schimmel und den tropfenden Wasserhähnen. Apropos Erinnerungen, flüsterte sie, legte die Rolle zurück auf das Farbsieb und zeigte mit dem Kinn nach draußen zum Flur. Bartosz ist unausstehlich, das stimmt schon, aber es hilft, wenn man weiß, dass er im Krieg war, weißt du, so was verändert Menschen.
    Ich wollte etwas erwidern, aber
     
    plötzlich bemerkte ich ihn, den fetten Goerke, wie er hinten im Zimmer stand, im Dunkeln, und nur darauf wartete, dass ich die Tür hinter mir abschließen würde. Ich hielt den Atem an, den Geruch seines Schweißes kannte ich sehr gut, er stank fast so sehr wie eine seiner Ziegen drüben im Sommerstall. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht hatte: Aushilfe auf dem Erlebnisbauernhof, keine dreißig Kilometer von der Grenze entfernt, das war doch eine tolle Gelegenheit, dachte ich, aber dann war da bloß Goerke, der freundlich lächelte, wenn wir Gäste hatten, und wenn wir keine hatten, griff er nach unseren Oberschenkeln, der fette Goerke.
    Ich schloss sofort die Tür wieder auf, kam aber dabei gegen den Lichtschalter, und da zog er sich die Hosen hoch und sprang mir entgegen, hielt die Tür und mir den Mund zu und begann, etwas in mein Ohr zu flüstern, ich verstand nicht, was er sagte, ich glaube, er drohte mir, irgendetwas von Schwarzarbeit, das Wort kannte ich, und Polizei, das Wort sagte er auch, und da hätte ich beinahe gelacht, wenn ich nicht so viel Angst gehabt hätte, vor Goerkes behaarten Unterarmen und diesem Blitzen in seinen Augen, und dann waren da noch seine Hände, die mir ins Gesicht fassten und meine Lippen abfuhren, so lange, bis ich schließlich zubiss, so stark ich konnte, und da schrie der fette Goerke, gab die Tür frei, und ich rannte hinaus.
    Die Nacht verbrachte ich ein paar Höfe weiter auf einem Heuboden, es war Ende April, und ich wusste nicht, dass Deutschland so kalt sein kann, so kalt, und im Heu raschelte es, und ich konnte nicht einschlafen, weil mir immer wieder der fette Goerke erschien und ich mit klopfendem Herzen hochschreckte, aber da war
bloß ein Uhu im Gebälk,

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