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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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begreifen, in welcher Klemme Kinga sich befand: Genau abwiegen zu müssen zwischen den Nettigkeiten, die sie mit den Myszas austauschte, und der notwendigen Schärfe, die es ohne Frage brauchen würde, um die Sache mit der Wohnung zu regeln. Aber dann diese Bronka, die von alldem nichts zu ahnen schien oder gerade doch alles ahnte und sie deshalb mit Liebenswürdigkeit überschüttete, ihre Gliedmaßen mit Freundlichkeit einspeichelte und aneinanderklebte, bis sie sich nicht mehr rühren konnte.
    Lässt sich doch alles nachholen, sagte Kinga und löste sich von der Fensterbank. Der Tee dampfte mittlerweile in den Tassen. Bronka legte sich eine Aspirin auf die Zunge, schluckte sie mit Leitungswasser hinunter undsagte, dass sie noch einen Moment brauche, einen Moment noch … es sei zwar nicht direkt Teil ihrer eigenen Familiengeschichte, dennoch habe dieser Ort eine merkwürdige Wirkung auf sie. Leider könne man mit den Arbeiten erst richtig anfangen, wenn Bartosz endlich mit dem Schleifgerät komme. In dem Moment klapperte die Eingangstür, eine Frau rief mit heller Stimme
Hallo!
, streifte sich die Schuhe ab und trat in die Küche. Sie war etwa Mitte vierzig, etwas zu groß und etwas zu vierschrötig, aber mit einem gutmütigen Gesicht und sehr hellblauen Augen.
    Ach ja, sagte Renia, das ist meine Mitbewohnerin. Albina. Albina, das ist Kinga. Wohnt jetzt auch hier, glaube ich.
    Albina schüttelte erst Bronka, dann Kinga die Hand, lächelte abwesend und fragte: Sagen Sie doch, Frau Bronka, wie geht es denn Ihrem Mann?
    Da verschluckte sich Bronka an ihrem Tee, hustete, lief rot an, Kinga sprang auf und klopfte ihr auf den Rücken. Schließlich beruhigte sie sich und packte Kinga am Arm.
    Kindchen. Egal, was passiert: Kein Wort von all dem zu meinem Mann. Wenigstens in den nächsten Tagen. Brunon ist sehr empfindlich, was die Familiengeschichte angeht. Konnte nie diese Wohnung betreten, ohne einen seiner schrecklichen Hustenanfälle zu bekommen. Er ist momentan im Krankenhaus. Jedes falsche Wort könnte ihn umbringen.
     

    Eine eigenartige Stille herrschte in der Wohnung, unterbrochen nur vom Summen der Bienen zwischen den Glasscheiben und dem letzten Säuseln des Wasserkessels. Der Geruchvon Tee vermischte sich mit dem des staubigen Parkettbodens und der vertrocknenden Lilien auf dem Küchentisch. Eine Stubenfliege ließ sich auf einem der Blütenblätter nieder, lautlos fiel es auf die Tischplatte.
    Ich finde die Wohnung in Ordnung, sagte ich. Natürlich waren die Regale in der Küche überladen und hingen schief an den Wänden, die Fenster schienen undicht zu sein, und einige Flecken an der Decke waren mehr als zweifelhaft. Dennoch war das Einzige, was mich wirklich beunruhigte, die Kleinigkeit, dass ich in ein Zimmer ziehen sollte, das eigentlich von jemand anders bewohnt wurde. Albina und Renia versicherten zwar, dass sich Rokas, also der Typ, an den sie das dritte Zimmer untervermietet hatten, sowieso nie blicken ließ, aber insgeheim bereitete ich mich dennoch darauf vor, demnächst einen Zimmergenossen zu haben.
    Solange es keine Nagetiere gibt, ist mir sowieso alles egal, aber Marder und Frettchen im Haus, das ist anstrengend, damit kenne ich mich aus.
    Marder und Frettchen?, fragte Renia, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und fing an zu lachen, und obwohl ich keinen Witz gemacht hatte, gefiel es mir, wie sie ihren Kopf leicht nach hinten bog und die Augen dabei schloss.
    Nein, sagte sie, Frettchen gibt es hier keine, wenigstens noch nicht. Das einzige Frettchen, das hier gleich mit einem Bandschleifer und ein paar Eimern Farbe ankomme, sei Bartosz. Wir lachten, sogar Bronka konnte es sich nicht verkneifen. Plötzlich war ich froh, hergekommen zu sein, in diese Stadt, und für einen Moment vergaß ich, dass ich nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Vielleicht hatte ich ja eine Freundin gefunden, wie ichsie mir immer gewünscht hatte, eine, die mich verstand. Mit der ich reden konnte, eventuell sogar über das
kleine Problem
, wie ich die Vorkommnisse, die ihren Anfang am Bahnhof genommen hatten, mittlerweile nannte. Wem sollte man sonst schon davon erzählen, dass man, seit man diese Stadt betreten hat, Stimmen hörte und Geschichten, die nur darauf warteten, auf einen niederzuprasseln? Ich war überreizt, dachte ich, aufgekratzt, und vielleicht, aber nur vielleicht, war es auch dieser Ort, an dem zu viel in der Luft lag, als gut für ihn oder für irgendwen war.
     
    Bronka hatte ihren Tee

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