Ambra
die gehört, wie er mir erzählt hat von den Spinnen, die er mit seinem Vater im Keller angezündet hat, von Anna mit den roten Locken und von der Pfandleihe, die er einmal eröffnen würde. Am Abend vorher hatte er losgelegt, als er dachte, Socha und Lysiecki schlafen schon. War ja auch bei uns anderen öfter Thema gewesen: Was machen wir, wenn wir wieder zurückkommen, bei der Armee bleiben wollte eigentlich keiner. Bis auf Jarzèbiński hatte aber niemand einen richtigen Plan, bloß Ideen, ein paar Träume, aber der Jarzèbiński, der wusste genau, was er machen wollte. Junge, hatte der leise zu mir gesagt, wenn ich hier wegkomme, mache ich eine Pfandleihe auf. Richtig gesprächig wurde der, und obwohl ich hundemüde war und es nicht hören wollte, hatte er erzählt, wie er es anfangen wollte, wie viel Geld man ungefähr brauchte und dass er, wenn er einmal angefangen hätte, seinen Hintern nie wieder aus seinem Büro hinausbewegen würde. Ich war schon beinahe eingeschlafen, hatte ihm kaum zugehört, und überhaupt fand ich das eine komische Idee: eine Pfandleihe, das klang irgendwie unehrlich, mein Alter hätte gesagt: jüdisch, aber ein bisschen neidisch war ich schon, immerhin war das eine Zukunft, und das war mehr, als ich zu dem Zeitpunkt hatte.
Am nächsten Tag hatten alle den Eindruck, dass
die Hitze noch drückender war als gewöhnlich, sogar die Dattelpalmen an dem kleinen Platz, der die Müllhalde war, ließen die Wedel tief hängen, und dabei waren sie doch das Erste, wonach Jarzèbiński schaute, jeden Morgen. Wenn morgens das Signal zum Aufstehen ertönte, war Jarzèbiński schon lange wach, streckte seine kugelrunde Murmel hinter das Rollo und beobachtete, was sich dort tat, an dem kleinen Platz, der die Müllhalde war, dort nämlich, hatte er mir erklärt, gebe es das meiste Leben in diesem verdammten Camp, dort nämlich hielten sich mindestens drei Paare Felsentauben auf, einige Weißschwanzkiebitze und eine Gruppe von Saatkrähen, die wir anderen verfluchten, weil sie schon kurz nach Sonnenaufgang um 4:30 so ein Spektakel veranstalten, dass man seinen Kopf tief in das verschwitzte, flache Armeekopfkissen drücken musste, um nichts mehr zu hören.
Jarzèbiński konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen, als diese mageren, drahtigen Vögel jeden Morgen, ein paar Mal zog er sich richtig Ärger zu, weil er zehn Minuten vor dem Weckruf anerkennend durch die Zähne pfiff, so dass alle im Raum, also ich, Socha und Lysiecki, wach wurden, und alles nur, weil er ein besonders dickes Exemplar von einer Haubenlerche gesehen hatte. Ich glaube, ich habe sogar einen Stiefel auf das Rollo geworfen, hinter dem er stand, was aber keinesfalls als direkter Angriff gemeint war, das haben damals alle schon ganz richtig verstanden, Jarzèbiński übrigens auch.
An diesem Tag im September waren die Palmwedel fast ganz braun geworden, wie über Nacht entkräftet, verdorrt, und dabei hatte die Hitze am Morgen noch nicht einmal richtig ausgeholt, aber ihre Faust war schon
geballt, das ja, doch es sollte noch dauern bis zum Nachmittag, dass sie ausholen, vorschnellen und mitten in meiner Fresse landen würde.
Was?, fragte Bartosz. Nervös fuhr er sich über das Gesicht, als wolle er sich einen Käfer oder ein Stück Lehm von der Stirn wischen. Nichts, antwortete ich, und meine Stimme klang merkwürdig fremd. Es ist nichts. Ich gehe schon mal vor. Bis später.
Draußen vor der Tür schien die Sonne, es war ein durchdringend klarer Herbsttag. Frau Wajder begleitete mich hinaus in den Garten. Ein paar späte Sonnenblumen blühten noch darin und Astern und Chrysanthemen, die sich wie bunte Kissen um das Haus herum verteilten. Als ich Frau Wajder rasch aufklärte, dass Bartosz auf keinen Fall mein Mann sei, sondern mein Verwandter, und ich gleich den pater familias kennenlernen würde, da raffte sie mit ein paar Bewegungen einen Arm voll blauer Chrysanthemen zusammen und drückte sie mir in die Hand.
Vielen Dank für alles, sagte sie und kniff mir in die Wangen: Damit sie röter werden. Macht einen gesünderen Eindruck.
Die Gegend war übersät mit Bauminseln, und weit und breit war weder eine Straße noch ein Feldweg zu erkennen. Ich irrte etwa eine halbe Stunde umher, bis ich auf eine Gruppe von alten Kastanienbäumen stieß. Zu ihren Füßen hatte jemand einen Grill aufgebaut. Noch überlegte ich, ob ich mich nähern sollte, da trat ein älterer Mann hinter den Bäumen hervor, balancierte in der einen Hand
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