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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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dass –
    Kinga!
    Keiner von uns hatte bemerkt, wie Bartosz mit Cudny über die angrenzende Wiese gekommen war. Das Auto musste er irgendwo am Rande des Feldwegs gelassen haben. Über und über mit Matsch bekleckert, nahm Bartosz mit zwei Fingern ein Stück Fleisch vom Tellerseines Vaters. Cudny schnappte danach, wurde aber sofort weggeschoben.
    Ich dachte schon, du hättest dich verlaufen. Und, Papa, wie hast du unseren Familienzuwachs verkraftet?
     

    Ein paar Fasane staksten über die abgeernteten Felder und drehten ihre Köpfe immer wieder zu der Rauchsäule, die aus einer der Bauminseln gen Himmel stieg. Was da verbrannte, war aber kein Abfall, den eine Hausfrau unbürokratisch entsorgte, auch kein Altlaub, das ein Bauer vernichtete, sondern ein paar vergessene Stücke Fleisch auf einem Grill, die Feuer gefangen hatten und ihre Himmelfahrt antraten.
    Von seinem Versteck hinter den Fliederbüschen hatte Tilmann Kröger einen ausgezeichneten Blick auf das Geschehen und auf Brunon Myszas Gesichtsausdruck: erst ein verständnisloses Anheben der Augenbrauen, dann ein Stirnrunzeln und schließlich ein Hustenkrampf, der ihn schüttelte. Kinga war aufgesprungen und versuchte, zusammen mit Bronka, Brunon aufzuhelfen. Bartosz’ schlug ihm auf den Rücken, und als das nichts half, packte er ihn an den Schultern und sagte, dass alles in Ordnung sei. Er sei da, die Mutter sei da, sogar Tilmann Kröger sei da. Er zeigte auf das Fliedergebüsch, hinter dem sich plötzlich etwas zu bewegen begann. Es raschelte, dann erkannte man eine Gestalt, die sich von Blättern und Humus befreite, langsam auf die Familie zukam und freundlich grüßte.
    Was macht der denn hier, fragte Kinga, aber niemand antwortete. Dabei war es Bronka höchstpersönlich gewesen, die ihn gebeten hatte, sich bereitzuhalten, immerhinwar er ebenfalls Deutscher, konnte bei Sprach- und anderen Problemen einspringen, falls die Situation eskalierte. Ihre Idee war es ebenfalls gewesen, dass er sich vorerst im Hintergrund hielt, um das Treffen nicht zu stören, falls alles glatt verlief.
    Ist noch etwas Bier da?, fragte Kröger, hauptsächlich, um die Herrschaften auf andere Gedanken zu bringen. Er spürte, wie sich in seinem Haar mehrere Marienkäfer bewegten, widerstand aber dem Drang, sich zu bücken und seinen Kopf über dem Gras auszuschütteln.
    Wer sind Sie wirklich, fragte Brunon, nachdem er aufgehört hatte zu husten. Kinga schob vor Aufregung ihre Hände in die Gesäßtaschen und sagte mit gesenktem Blick, dass sie Kinga Mischa sei, die Tochter von Emmerich und Enkelin von Konrad Mischa.
    Sie ist deine Großnichte, unterbrach Bronka sie eilig. Emmerich ist vor kurzem gestorben, und jetzt ist sie eine Vollwaise. Das arme Kind, schau sie dir doch an! Und reg dich bitte nicht auf. Denk an deinen Vater, denk daran, was Marian sich gewünscht hatte.
    Brunon Mysza hatte nicht vergessen, was der letzte Wunsch seines greisen Vaters Marian gewesen war: Friede müsse gemacht werden mit allen Myszas, Mischas und allen Blutsverwandten überhaupt auf dieser Erde. Dass jedenfalls wenige Jahre nach seinem Ableben tatsächlich eine entfernte Verwandte in der Stadt erschien, hätte Brunon wie ein Fingerzeig Gottes oder zumindest des Schicksals vorkommen können, tat es aber nicht – vielmehr nahm er es zum Anlass, rot anzulaufen, sich zu seiner Frau zu drehen, die er anscheinend verdächtigte, mit der Deutschen unter einer Decke zu stecken, und loszubrüllen. Wie lange man ihm eigentlich schon wichtige Informationen vorenthalte? Ihn für einen dementen,siechen, hinfälligen Krüppel halte, der nicht mehr fähig sei, die Geschicke der Familie zu lenken? Ob sie etwa vorgehabt hätten, allein mit dieser Katastrophe zurechtzukommen? Was solle denn jetzt aus der Wohnung werden? Den Einnahmen? Sie wüssten doch ganz genau, wie wenig seine Rente zum Leben ausreiche …
    Ausgerechnet Bartosz sprang für Kinga ein und sagte, dass sie zwar etwas merkwürdig sei, aber sicher keine Katastrophe. Bronka nickte und hakte sich bei ihrem Sohn unter. Sie ist wirklich ein ganz nettes Mädchen. Wir haben sie schon mehrmals getroffen und –
    Mehrmals?, polterte Brunon wieder los, und vielleicht bekam deshalb niemand mit, wie Kinga Mischa, den Tränen nah, die Wiese hinunter zu dem kleinen Verschlag wankte, wo sie wahrscheinlich die Toilette vermutete. Kröger, der es für das Klügste hielt, sich aus dem Familienstreit herauszuhalten, blieb bei seinem Bier und in sicherer Entfernung unter

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