Ambra
Skorpion hat gegen die Spinne keineChance. Das Sonnenlicht scheint durch die Sternchen des Wäschekorbes, am Horizont sind Ruinen zu erkennen, Tore, Wälle, Behausungen. Alles sandfarben, dazwischen vertrocknete Palmen und ein paar Straßen, die durch das Camp führen. Baracken aus weißem Blech, Hubschrauber und Jeeps dazwischen, und am Rand des Ganzen, hinter der letzten Baracke: die drei Soldaten vor dem Wäschekorb; jetzt liegen sie sogar auf dem Bauch, um besser sehen zu können, wie die Spinne den Skorpion zerfleischt.
Kinga hielt kurz inne. Bartosz hatte begonnen, auf seiner Unterlippe zu kauen, und Kröger tippte ihn kurz an die Schulter, als ob er ihn daran erinnern musste, dass sie sich in einem Varieté befanden und einer einstudierten Vorführung beiwohnten. Dann, als wäre ihm etwas eingefallen, als wäre der Groschen gesprungen, zog er seine Hand zurück und seufzte. Natürlich, so musste es sein: Bartosz war Teil des Spiels. Kinga hatte sich mit ihm verabredet, ihn ins Collegium geschleust, und nun war es seine Aufgabe, entsetzt zu tun und zu beweisen, dass Kinga tatsächlich und wahrhaftig Gedanken lesen konnte. Ein billiges und zigtausend Mal angewandtes Mittel.
Das Publikum, wenigstens in den hinteren Reihen, registrierte es nicht. Przemek schien vor lauter Amusement sogar ein paar Zentimeter gewachsen zu sein und hob die Krähe wie ein Weinglas in Kingas Richtung, prostete ihr zu.
Kröger hingegen hatte seine Taschenuhr hervorgeholt, spielte mit ihrer Kette und blickte immer wieder auf das Ziffernblatt, als könne er es nicht erwarten, dass die Vorstellung endlich zu Ende ging. Kinga beachtete ihn nicht, sondern konzentrierte sich einzig auf Bartosz.
Eine gelbliche Flüssigkeit tritt aus dem Skorpion, aberdie Männer bemerken es kaum, sie sind damit beschäftigt, sich über einen vierten Soldaten zu ärgern, der dazu gekommen ist und ihr kleines Spektakel stört. Tierquälerei nennt er es und macht sich über die Männer lustig, woraufhin sie ihn dazu bringen, die Spinne aus ihrer Falle zu befreien. Der Soldat wird gebissen. Wäre er daran gestorben, hätten die anderen ihn auf dem Gewissen, dann wäre er einer mehr, der in Babylon bliebe, denn so heißt das Camp. Das hier ist Babylon, und das am Horizont ist Babilla, die Stadt Hammurapis und Nebukadnezars.
Vielleicht eine Spur zu spät besann sich Bartosz auf seinen Einsatz. Er war aufgestanden, hatte es sogar geschafft, eine Spur blasser zu werden. Seine Stimme zitterte, und an den Reaktionen der Umsitzenden erkannte Kröger, dass man Bartosz die Rolle des Betroffenen abnahm. Erstaunen und ein wohliges Grauen spiegelten sich in den Gesichtern. Niemand rechnete damit, dass es auch im Publikum Schauspieler gab, die in das Geschehen eingeweiht waren und sich ebenso sehr an ihren Text hielten wie die Gestalten auf der Bühne … Am liebsten hätte Kröger interveniert.
Das ist doch krank, sagte Bartosz. Er war so nah an die Bühne herangetreten, dass Kinga seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren musste.
Hast ein bisschen Fernsehen geguckt, ein paar Aufnahmen von polnischen Truppen in der Wüste gesehen, und jetzt tust du so, als könntest du Gedanken lesen. Meinst du, das glaubt dir hier irgendwer?
Bartosz zeigte auf das Publikum hinter sich, in dem ein paar Leute zu flüstern begonnen hatten. Demoiselle Maya erhob sich.
Ich muss Sie bitten, das Collegium zu verlassen. Dashier ist nichts für schwache Gemüter, das hätten Sie wissen müssen. Mario, geleite den jungen Mann zur Tür.
Mario packte Bartosz an den Schultern, der aber wand sich sofort aus dessen Griff und hielt ihn mit ausgestrecktem Arm auf Abstand.
Und was weiter? Na? Ist dir der Stoff schon ausgegangen? Kinga?
Kinga stand von ihrem Platz am Bühnenrand auf und schüttelte ihren Kopf.
Der Abend ist ruhig, manche von den Soldaten haben einen freien Tag, und nach dem Kampf des Skorpions mit der Spinne gehen die drei Soldaten rüber in den Fernsehraum, der vierte zieht sich auf die Krankenstation zurück und wird an diesem Abend nicht mehr gesehen, nicht einmal zum Biertrinken.
Bartosz riss sich los und stürmte aus dem Saal, man hörte, wie er die Eingangstür zuschlug und die Treppe hinunterrannte. Mario und Demoiselle Maya blieben stehen, auch Kinga war aufgestanden. Sie strich über ihre Stirn, als würde sie sich wundern, wie sie auf diese Bühne gekommen war, schien erst dann das Publikum zu bemerken und sich zu erinnern. Sie verbeugte sich, und nach ein paar Sekunden
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