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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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bemitleidet, wie er da saß, aber die meisten waren schon neidisch und haben überlegt, wo sie bloß so ein Scheißding herkriegten, das ihnen ein ordentliches Stück vom Arm oder Bein abbiss, aber wirklich getraut hatte sich niemand.
    War garantiert Lysieckis Idee gewesen, das Ganze, das traue ich dem zu, krank genug wäre der für so was gewesen, krank und nervös, bestimmt beruhigte den das, zu sehen, wie sich zwei Viecher gegenseitig in der Luft zerrissen, ganz uninteressant war das nicht, aber ein bisschen unfair, das schon, der Skorpion war ja bloß halb so groß wie diese verdammte Spinne. Wie verrückt rannte die in dem Wäschekorb umher, den Lysiecki über sie und den
Skorpion gestülpt hatte, man konnte ihr mit den Augen gar nicht folgen, so schnell sind diese Viecher, und dann halten sie an und sind wieder ganz still, als ob ihnen für einen Moment die Puste ausgeht, nur um dann kurze Zeit später wieder loszujagen.
    Der Skorpion saß ganz ruhig da, zuckte ab und zu bloß, drehte sich nach der Spinne um, verzog sich in eine Ecke und bewegte den Stachel, genau konnte man das aber nicht mehr erkennen. Socha, Lysiecki und ich lagen zwar auf dem Boden, um alles mitverfolgen zu können, aber die Ecke lag im Schatten, außerdem war der Sand auf der Stelle, an der Lysiecki den Wäschekorb abgesetzt hatte, so hell, dass man kaum Skorpion von Sand unterscheiden konnte, und wie gesagt der Schatten, es war ja schon beinahe abends. Und ausgerechnet, als es losging, als sich die Spinne auf den Skorpion stürzte und ihn mit den Vorderbeinen umklammerte, musste Jarzèbiński aufkreuzen, wahrscheinlich hatte er sich von hinten angeschlichen, um zu prüfen, was es da zu sehen gab, und dann musste er extralaut auf seine Knie fallen, so dass Spinne und Skorpion sich für einen Moment voneinander lösten und innehielten. Jarzèbiński starrte in den Korb hinein, Spinne und Skorpion heraus, alle drei entsetzt, und dann ertönte Jarzèbińskis näselnde Stimme, die etwas von Tierquälerei erzählte und ob wir nichts Besseres zu tun hätten. Der wieder mit seiner Tierliebe, geh doch zurück zu deinen Vögeln, sagte Socha, und Lysiecki sah ihn von der Seite an und fragte, ob er schwul sei, oder was sonst mit ihm los sei, so ein Weichei, bemitleidet einen Skorpion. Jarzèbiński antwortete, dass nur ein wirklich Schwuler Spaß haben könnte an solchen Spielereien, und da wären wir beinahe aufgesprungen, aber in dem Moment
fiel der Skorpion die Spinne an, ließ seinen Schwanz auf und ab schnellen, versuchte immer wieder, ihren Körper zu treffen, aber die Spinne war schneller und packte den Skorpion von der Seite und trennte ihm ein paar Beine ab.
    Wie still es dabei war, ein ganz stummer Kampf war das, nur ein bisschen Sand wurde aufgewirbelt, das war alles, Herrgott, und hätte ich gewusst, was mit Jarzèbiński passieren würde, hätte ich mich beherrscht, hätte nicht wieder angefangen zu erzählen von den Vögeln und sie und ihn nachzuahmen, als seien sie ein und dasselbe, es war einer der letzten freien Tage, die Jarzèbiński erleben sollte, und wir haben ihn getriezt wie die Spinne den Skorpion, dem Bein um Bein abgekniffen wurde, bevor die Spinne ihn in zwei Hälften zerbiss. Eine gelbliche Flüssigkeit rann aus seinem Körper und versickerte im Sand, widerlich war das, aber besser als Fernsehen. Das einzige Problem war dann das mit der Spinne und wer ihren Korb hochheben sollte, und da klopfte Socha plötzlich dem Jarzèbiński auf die Schulter und sagte, dass er sich einmal nützlich machen könne, er könne doch so gut mit Tieren, und eine Walzenspinne freizulassen sei doch eine ehrenvolle Aufgabe. Eigentlich wollte ich Lysiecki fragen, warum er es nicht selber tat, immerhin hatte er das Tier angeblich gefangen, aber da war Jarzèbiński schon am Korb dran, schob ihn immer weiter zu den paar Steinen, die hinter den Baracken lagen, und als er ganz nah dran war, hob er ruckartig den Korb hoch und sprang zur Seite, Socha und Lysiecki lachten. Die Spinne erwischte ihn trotzdem. Es war wohl nur eine kleine Wunde, er wollte sie uns aber nicht zeigen. Er ist gleich ins Krankenzimmer, und wir sind rüber zu den Playstations, wie
jeden freien Abend. Ich erinnere mich nicht mehr, Jarzèbiński an diesem Abend noch einmal gesehen zu haben.
     
    Ich schüttelte mich und fuhr mir über das Gesicht. Bartosz hatte sich wieder abgewandt, das Licht im Zuschauerraum war verschwunden. Maya trat auf die Bühne, stellte sich an den Rand

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